Rosen

Rosen

gehören dazu. Als Kind brachte mir unser Opa Wolfgang bei, wie die Rosen im Schrebergarten zu schneiden sind. Diese Blumen waren seine Lieblinge. Ich als erstes Enkelkind natürlich auch. Passte also. Er ließ mich an den verschiedenen Blüten riechen, er brachte mir bei, wie zu gießen, zu düngen und zu schneiden ist, er klebte Pflaster auf die kleinen Wunden, die ich mir natürlich an den Dornen holte. Der Duft der 'Gloria Dei' war uns beiden am liebsten.

Er war ein charmanter Mann. Er plauderte gern und sprach nie über seine Sorgen. 

Irgendwann gab es Ärger mit Frau Anneliese. Sie verlangte, es solle mehr Gemüse angebaut werden, und nicht nur diese so sinnlosen Rosen, die ja hübsch seien, aber nicht sättigen.

Tja. Und dann schnitt er alle Blüten ab und lud sie in einen kleinen Handwagen, zog damit durchs Dorf und verschenkte die Blumen an alle Frauen, denen er begegnete. 

Danach haben sie 2 Wochen nicht miteinander gesprochen.

Als er starb wurde er aufgebahrt und Anneliese schnitt alle Rosen ab und ließ sie in seinen Sarg legen.

Ich fand es sehr schön, dass er mit Rosen schläft. Genau so war es gut.

Ich mag immer noch Rosen. Das ist nichts besonderes. Aber jede Rose lässt mich für einen Moment wieder im Schrebergarten sein, gibt mir noch einmal das Gefühl mit dem Opi unterwegs zu sein. Alles ist gut.

Ich mag Rosen.

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Es geht irgendwie weiter

Es geht irgendwie weiter.

Ist das systemrelevant?

Ich gehe ins Atelier, verfolge meine kleinen Projekte und kümmere mich nicht darum, was wer dazu zu sagen hat. 

Gern würde ich weiter Wünsche von anderen Leuten malen, aber seit Corona erreichen mich kaum weitere interessante Wünsche. 

Liegt das am Konzept? Liegt das an mir? Oder ist es doch dieses gemeine Virusding?

Was fehlt: die kleinen Events, die überraschenden neuen Bekanntschaften, die zufälligen Treffen.

Dabei war ich schon immer ziemlich gut beim Einsiedeln. Fand unsere Mutter auch. Und fand sie nicht gut. 

Es geht irgendwie weiter.

Mit oder ohne mich. 

Wenn ich entscheiden kann, würde ich gerne noch einige Zeit dabei sein.

Und was wünscht du dir?  

 

Es war vieles seltsam.

2018 hätte ich eigentlich sterben sollen.

Das hat dank der Bemühungen von Ärztinnen, Ärzten, freundlichen und manchmal ziemlich resolutem Pflegerinnen und Pflegern nicht geklappt. Und den Mut, es unter veränderten Bedingungen noch einmal zu versuchen habe ich meiner Familie, meinen Freunden und ganz fremden Leuten zu verdanken. 

 

All diesen Menschen bin ich dankbar. Und ein wenig beschämt. Ich bekomme es nicht wirklich hin, meine Arbeit - denn das ist es - auch nur im Ansatz für so relevant zu halten wie die Arbeit der Leute, die mich mit vereinten Kräften ins Leben zurückgeholt haben.

 

Möglicherweise spielt es auch keine Rolle.

Irrelevant zu sein bedeutet auch Freiheit. Nicht die Freiheit der Verantwortungslosigkeit - aber natürlich mit sozialer Absicherung.

Nicht die Freiheit der hemmungslos ausgelebten Bosheit - allerdings nicht für die Anderen. Einfach nur die Freiheit dabei sein zu können, und das zu tun, was möglich ist. Je nach Lage der Dinge.

 

 

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Anfangen

 

Was ist ein Wunsch?

Die leere Stelle zwischen all dem, was da ist. 

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Blödheitssteuer, sofort!

Blödheitssteuer, sofort! 1014, Aquarell+Tusche auf Papier, DIN A2
Blödheitssteuer, sofort! 1014, Aquarell+Tusche auf Papier, DIN A2

Die sofortige Blödheitssteuer wurde damals gefordert im Zusammenhang mit einer national bedeutenden Fußballveranstaltung. Der Herr dieses Wunsches hatte ein eher ästhetisches Problem mit einem Fanprodukt, den Überziehern für Autorückspiegel in Flaggendesign. Da regte er sich sehr drüber auf. Und wollte als guter Staatsbürger mit einer Steuerregelung dagegen vorgehen. Nun, ob das hätte klappen können kann ich nicht beurteilen.

Was mich allerdings mittlerweile ärgert ist die Beobachtung, dass es hier mittlerweile Leute gibt, die nicht aus übertriebener, aber dennoch harmloser Fußballfanbereitschaft sondern aus viel dunkleren, hasserfüllten Gründen versuchen, die Flagge unseres Landes für ihre rassistischen Ziele zu missbrauchen.

Es ist eine Flagge.

Es ist unsere Flagge.

 

Wir sind die 87 Prozent.

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Ein Stall voll Enkel

Ein Stall voll Enkel, 2015, Aquarell+Tusche auf Papier, Din A2
Ein Stall voll Enkel, 2015, Aquarell+Tusche auf Papier, Din A2

Eine Kinderhand reckt sich aus einem braunen Loch. Lauter Namen in den klassischen Babyfarben Blau und Rosa überziehen das Bild. Bei der Namensvergabe wurde die Rollenverteilung jedoch ignoriert, so ist „David“ rosa oder „Hannah“ blau geschrieben. Die Hand, üblicherweise Zeichen von Kraft und Macht, irritiert in Zusammenhang mit dem Gewünschten. Als Kinderhand scheint sie etwas zu groß und stark. Der Gestus mit ausgestrecktem Zeigefinger kann spielerisch gemeint sein oder fordernd. Eigentlich soll das wohl niedlich sein, so ein Stall voller Enkel, aber mich beschleicht beim Betrachten unweigerlich der Gedanke an „Chucky, die Mörderpuppe".

 

Claudia Jansen

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Rosen

Rosen

gehören dazu. Als Kind brachte mir unser Opa Wolfgang bei, wie die Rosen im Schrebergarten zu schneiden sind. Diese Blumen waren seine Lieblinge. Ich als erstes Enkelkind natürlich auch. Passte also. Er ließ mich an den verschiedenen Blüten riechen, er brachte mir bei, wie zu gießen, zu düngen und zu schneiden ist, er klebte Pflaster auf die kleinen Wunden, die ich mir natürlich an den Dornen holte. Der Duft der 'Gloria Dei' war uns beiden am liebsten.

Er war ein charmanter Mann. Er plauderte gern und sprach nie über seine Sorgen. 

Irgendwann gab es Ärger mit Frau Anneliese. Sie verlangte, es solle mehr Gemüse angebaut werden, und nicht nur diese so sinnlosen Rosen, die ja hübsch seien, aber nicht sättigen.

Tja. Und dann schnitt er alle Blüten ab und lud sie in einen kleinen Handwagen, zog damit durchs Dorf und verschenkte die Blumen an alle Frauen, denen er begegnete. 

Danach haben sie 2 Wochen nicht miteinander gesprochen.

Als er starb wurde er aufgebahrt und Anneliese schnitt alle Rosen ab und ließ sie in seinen Sarg legen.

Ich fand es sehr schön, dass er mit Rosen schläft. Genau so war es gut.

Ich mag immer noch Rosen. Das ist nichts besonderes. Aber jede Rose lässt mich für einen Moment wieder im Schrebergarten sein, gibt mir noch einmal das Gefühl mit dem Opi unterwegs zu sein. Alles ist gut.

Ich mag Rosen.

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Es geht irgendwie weiter

Es geht irgendwie weiter.

Ist das systemrelevant?

Ich gehe ins Atelier, verfolge meine kleinen Projekte und kümmere mich nicht darum, was wer dazu zu sagen hat. 

Gern würde ich weiter Wünsche von anderen Leuten malen, aber seit Corona erreichen mich kaum weitere interessante Wünsche. 

Liegt das am Konzept? Liegt das an mir? Oder ist es doch dieses gemeine Virusding?

Was fehlt: die kleinen Events, die überraschenden neuen Bekanntschaften, die zufälligen Treffen.

Dabei war ich schon immer ziemlich gut beim Einsiedeln. Fand unsere Mutter auch. Und fand sie nicht gut. 

Es geht irgendwie weiter.

Mit oder ohne mich. 

Wenn ich entscheiden kann, würde ich gerne noch einige Zeit dabei sein.

Und was wünscht du dir?  

 

Es war vieles seltsam.

2018 hätte ich eigentlich sterben sollen.

Das hat dank der Bemühungen von Ärztinnen, Ärzten, freundlichen und manchmal ziemlich resolutem Pflegerinnen und Pflegern nicht geklappt. Und den Mut, es unter veränderten Bedingungen noch einmal zu versuchen habe ich meiner Familie, meinen Freunden und ganz fremden Leuten zu verdanken. 

 

All diesen Menschen bin ich dankbar. Und ein wenig beschämt. Ich bekomme es nicht wirklich hin, meine Arbeit - denn das ist es - auch nur im Ansatz für so relevant zu halten wie die Arbeit der Leute, die mich mit vereinten Kräften ins Leben zurückgeholt haben.

 

Möglicherweise spielt es auch keine Rolle.

Irrelevant zu sein bedeutet auch Freiheit. Nicht die Freiheit der Verantwortungslosigkeit - aber natürlich mit sozialer Absicherung.

Nicht die Freiheit der hemmungslos ausgelebten Bosheit - allerdings nicht für die Anderen. Einfach nur die Freiheit dabei sein zu können, und das zu tun, was möglich ist. Je nach Lage der Dinge.

 

 

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Anfangen

 

Was ist ein Wunsch?

Die leere Stelle zwischen all dem, was da ist. 

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Blödheitssteuer, sofort!

Blödheitssteuer, sofort! 1014, Aquarell+Tusche auf Papier, DIN A2
Blödheitssteuer, sofort! 1014, Aquarell+Tusche auf Papier, DIN A2

Die sofortige Blödheitssteuer wurde damals gefordert im Zusammenhang mit einer national bedeutenden Fußballveranstaltung. Der Herr dieses Wunsches hatte ein eher ästhetisches Problem mit einem Fanprodukt, den Überziehern für Autorückspiegel in Flaggendesign. Da regte er sich sehr drüber auf. Und wollte als guter Staatsbürger mit einer Steuerregelung dagegen vorgehen. Nun, ob das hätte klappen können kann ich nicht beurteilen.

Was mich allerdings mittlerweile ärgert ist die Beobachtung, dass es hier mittlerweile Leute gibt, die nicht aus übertriebener, aber dennoch harmloser Fußballfanbereitschaft sondern aus viel dunkleren, hasserfüllten Gründen versuchen, die Flagge unseres Landes für ihre rassistischen Ziele zu missbrauchen.

Es ist eine Flagge.

Es ist unsere Flagge.

 

Wir sind die 87 Prozent.

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Ein Stall voll Enkel

Ein Stall voll Enkel, 2015, Aquarell+Tusche auf Papier, Din A2
Ein Stall voll Enkel, 2015, Aquarell+Tusche auf Papier, Din A2

Eine Kinderhand reckt sich aus einem braunen Loch. Lauter Namen in den klassischen Babyfarben Blau und Rosa überziehen das Bild. Bei der Namensvergabe wurde die Rollenverteilung jedoch ignoriert, so ist „David“ rosa oder „Hannah“ blau geschrieben. Die Hand, üblicherweise Zeichen von Kraft und Macht, irritiert in Zusammenhang mit dem Gewünschten. Als Kinderhand scheint sie etwas zu groß und stark. Der Gestus mit ausgestrecktem Zeigefinger kann spielerisch gemeint sein oder fordernd. Eigentlich soll das wohl niedlich sein, so ein Stall voller Enkel, aber mich beschleicht beim Betrachten unweigerlich der Gedanke an „Chucky, die Mörderpuppe".

 

Claudia Jansen

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In der Stadt der Rosen

Olaf Ploke spricht über Wünsche in Emmerich

Im Spiegel meiner Wünsche

 

Das erste Mal begegnete Kirsten Klöckner mir als ich in einen Spiegel blickte. „Kompliment“ war dort über die gesamte Fläche eingraviert. Ich mochte diese positive Aussage sofort, die dieses Multiple von Kirsten Klöckner ausstrahlt und kaufte es mir. Es kostete damals, glaube ich 20 Mark in der Edition Staeck. Nun hängt dieser Spiegel seit bald 20 Jahren in unserem Haus und ist für mich immer noch Objekt der Reflexion. Denn natürlich steckt in dem Kunstwerk weitaus mehr, als nur die Botschaft „Du siehst gut aus. Kompliment.“ Wer sich mit diesem Kunstwerk beschäftigt, muss sich unweigerlich irgendwann fragen, warum wir eigentlich in den Spiegel blicken. Wollen wir uns betrachten, um uns zu untersuchen, ob wir vielleicht wieder sichtbar älter geworden sind? Wollen wir sicher gehen, dass wir gut aussehen? Blicken wir für uns in den Spiegel oder für andere? Geht es uns um Selbstvergewisserung oder um das Bild, das wir anderen von uns machen wollen? Und am Ende fragen wir uns vielleicht auch: Was ist eigentlich ein Spiegel?

„Die Seele muss, um sich selbst zu erkennen, in eine andere Seele blicken“, sagt Sokrates zu Alkibiades. Wie aber kann man in die Seele eines anderen blicken, will Alkibiades wissen. Und Sokrates zeigt ihm, dass es Fenster gibt zu den Seelen der anderen und zu der eigenen, als er sagt: „Wenn jemand in ein Auge hineinsieht, sein Gesicht in der gegenüberstehenden Sehe erscheint wie in einem Spiegel. Wenn also ein Auge sich selbst schauen will, muss es in ein Auge schauen.“ Der Spiegel ist nicht nur Reflexion unseres Bildes, sondern auch Reflexion unserer Seele, wenn wir es zulassen. Kirsten Klöckners Werke sind allesamt Spiegel. An der Oberfläche erscheinen sie erst mal vielleicht einfach, aber bei näherer Betrachtung entdecken wir ein unbekanntes Land – jenes unbekannte Land in uns.

So ist es auch mit ihrem neuesten Projekt – dem „Wunschprogramm“ -, dessen Eröffnung wir heute hier im Haus im Park in Emmerich feiern. Kirsten Klöckner hat Wünsche gesammelt, sie gezeichnet und gemalt. Was wünschen sich die Menschen? Zum Beispiel „Schlagfertigkeit“, „ein sehr großes Bier“, „5 Millionen“, „einen Lamborghini“ oder auch „sehr rote Handschuhe“. Es scheint, dass wir uns wünschen, was wir nicht haben, aber gerne hätten. Man hätte gerne mal einen Lamborghini. Aber warum eigentlich? Warum wünschen wir uns etwas, z.B. den Sportwagen? Wollen wir wirklich das Auto haben? Sie können auch jeden anderen Wunsch nehmen, den Sie haben? Ist das Ziel Ihres Wunsches tatsächlich das Objekt? Diese Frage bringt uns zum Wesen des Wunsches. Ist es nicht vielmehr so, dass wir etwas wünschen, um etwas anderes zu erlangen? Liegt einem Wunsch nicht eine „Wenn…dann“-Struktur zugrunde? „Wenn ich den Lamborghini hätte, dann... - hätte ich mehr Erfolg bei den Frauen. - würden meine Nachbarn neidisch sein. - würde ich mehr anerkannt werden. Wenn wir einen Wunsch haben, dann richtet er sich nur scheinbar auf ein Objekt. Tatsächlich wünschen wir uns nicht Dinge, sondern Landschaften. Wir wünschen uns, uns in dem Lamborghini, auf dem Beifahrersitz das Topmodel und die neidischen Blicke der Freunde und die Anerkennung von anderen. Im Wünschen malen wir uns etwas aus, das wir meinen, mit dem Wunsch erlangen zu können. Deshalb ist Kirsten Klöckners „Wunschprogramm“ wieder ein ganz einzigartiger Spiegel. Sie sehen hier Wünsche, teilweise Ihre eigenen, teilweise Ihnen völlig fremde Wünsche. Sie sind hier bereits zu Wunsch-Landschaften geworden. Sie werden sich gleich beim Gang durch die Ausstellung fragen, ob die Wünsche in Ihnen ähnliche Bilder aufkommen lassen oder ganz andere. So schauen Sie also wieder durch dieses magische Fenster in Ihre eigene Seele. Erkennen Sie sich?

Vom Wunsch ist der Wille abzugrenzen. Der Wille ist etwas ganz anderes und oft werden Wunsch und Wille verwechselt. Dem Willen liegt keine „Wenn-dann“-Struktur zu Grunde. Er will etwas um seiner selbst willen. Während der Wunsch also danach auslangt, etwas anderes mit ihm zu erreichen, hat der Wille nur ein Ziel: Glückseligkeit. Während wir alles andere wünschen, um damit etwas anderes zu erreichen, ist die Glückseligkeit das, was wir um ihrer selbst wollen. Das ist vielleicht der Grund, warum sie sich niemand wünschen konnte.

Kann man Glückseligkeit malen? Wenn es jemand kann, dann Kirsten Klöckner.

Olaf Plotke

Zur Eröffnung meiner Ausstellung der Wunschbilder am 25. Oktober 2015 im Kunstverein Emmerich habe ich etwas ausprobiert. Drei Mappen mit 60 Bildern waren im kleinen Haus im Park verteilt im Haus im Park auf Tischen in bequemer Höhe platziert. Aber die Wände waren leer, als die ersten Besucher kamen. Die 13 Bilder für die Wand, die ich von einer offenen Jury bei Facebook hatte aussuchen lassen, lagen gestapelt vor der Tür. Werner Steinecke begrüßte. Olaf Plotke sprach über das Wünschen. Dann kam ich, hielt die Bilder einzeln hoch und forderte die Gäste auf, zu raten, welcher Wunsch zum Bild geführt hatte. Wer den Wunsch erkennen konnte, bekam das zugehörige Bild überreicht mit der Aufforderung, es im Ausstellungsgebäude an einen ihm dafür geeigneten Platz zu hängen.

Nägel waren schon eingeklopft.

Abgestaubt habe ich die Rahmen noch, und dann war die Ausstellung eröffnet.

Dieses Video fasst das Ereignis von 30 Minuten und 3 Minuten zusammen. So sah es aus.  

Kirsten Klöckner


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Verrückt geworden?

13 aus 73 – Kontrollfreak spielt Kontrollverlust

Es muss ein Moment geistiger Umnachtung gewesen ein, in dem ich meine Facebook-Kontakte bat, mir bei der Auswahl der Wunschbilder für meine Ausstellung im Kunstverein Emmerich zu helfen. Oder war es ein Moment der Klarheit?

Die Wahlbeteiligung schien mir überraschend hoch. Gerechnet hatte ich mit vielleicht 5, 6 oder 7 getreuen Mitlesern. Im ersten Wahlgang standen immerhin 73 Bilder zur Wahl. Nur 13 sollten ausgesucht werden. Es dauert einige Zeit, sich durch so viele Bilder durchzuklicken und die 13 Likes zu verteilen. 46 Leute haben das getan. Und es waren einige dabei aktiv, die ich sonst leider kaum wahrnehme. (Das könnte sich nun ändern.) Nach dem ersten Durchgang fielen die ungelikten Bilder raus. Übrig blieben aber immer noch 36 Bilder, die aus mir unklaren Gründen Befürworter gefunden hatten. Danach ließ ich dann jeweils 3 Bilder gegeneinander antreten. Eins aus drei. Und ab hier wurde es für mich schmerzhaft. Die Gruppe der freiwilligen Juroren vergrößerte sich noch einmal und entschied sich nicht so, wie ich es allein getan hätte. Viel manipulieren konnte ich auch nicht. Während der Abstimmung hielt ich mich raus. Allerding habe ich die 3er Gruppen zusammengestellt – mit der geheimen Hoffnung, dass es doch wohl überdeutlich sein müsse, welches Bild an die Wand gehört.

Vergebliche Liebesmüh.

Glücklich machte mich das Ergebnis zuerst nicht.

Eher verwirrt. Besorgt. Verunsichert.

Ich allein hätte das natürlich alles ganz anders gemacht. Ganz anders.

Aber ich habe es ja nicht gemacht.

Ich hätte das große Ganze bedacht. Welches Ganze? Das Universum der Wünsche?

Ich hätte versucht, einen Querschnitt zu zeigen.

Querschnitt oder Durchschnitt?

Aus dem Spiel war Ernst geworden.

Und es war kein Witz.

Ich suchte verzweifelt nach einer halbwegs plausiblen Ausrede, die mich

von der Entscheidung der riesigen Jury befreien würde.

Ich fand keine.

Also ist es jetzt so.

Ich zeige die Auswahl der Jury.

Täglich gefällt sie mir ein wenig besser.

Ich werde mich daran gewöhnen.

Was werden die Emmericher dazu sagen? 

Kirsten Klöckner 


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BeuteKunst I+II - Vor der Ausstellung - Lahmann fragt  2013-09-07 – 22:06:26

Lahmann: Am 20. September eröffnen wir um 18.00 Uhr deine Ausstellung in der Akademie der Künste in Berlin am Hanseatenweg. Matthias Flügge wird sprechen. Bist du aufgeregt?

 

Kirsten Klöckner: Aufgeregt? Ich habe noch so viel zu tun. Aber ich bin gespannt darauf, was Matthias Flügge zu all dem sagen wird.

 

Lahmann: Was ist denn noch zu tun? Die Bilder sind gemalt, die Einladungen hat die AdK verschickt, die Pressearbeit läuft. Was noch?

 

Kirsten Klöckner: Ein paar Kleinigkeiten. Zusätzlich zu den Einladungen, welche die Akademie verschickt habe ich auch noch einige Adressen von den Galerien und Editionen, mit denen ich zusammenarbeite bekommen. Sammler, die Arbeiten von mir besitzen sind ja nicht unbedingt im Verteiler der Akademie. Die Sammler informiere ich selbst. Dann habe ich in den letzten Wochen das Buch "Musenbesuch–BeuteKunst II" zusammen mit Claudia

Jansen fertig gestellt. Urszula Usakowska-Wolff und Claudia Jansen haben viele Fehler gefunden. Ich habe das Layout gemacht. Falko Hennig hat viel zu viele Hurenkinder gefunden. Das Buch wird gerade gedruckt und mit Glück ist es zur Eröffnung fertig. Dazu habe ich einen Flyer als Werbematerial für die Veranstaltung "Musentreffen" entworfen und drucken lassen. Das Material muss verteilt werden. Das Buch muss verkauft werden. Alle Autoren bekommen ihr Belegexemplar. Solche Dinge nimmt mir niemand ab.

 

Lahmann: Musentreffen?

 

Kirsten Klöckner: Musentreffen statt des üblichen Künstlergesprächs. Klaus Staeck als Mentor meiner Ausstellung wird dabei sein, der Kulturwissenschaftler Wolfgang Ullrich, den ich im Laufe des Projektes kennenlernen durfte, die Berliner Senatorin Sandra Scheeres, eine Freundin aus meiner Düsseldorfer Zeit, der legendäre Gastronom Friedel Drautzburg, die Kunsthistorikerin und Mitstreiterin in Sachen BeuteKunst Claudia Jansen, der Aktionskünstler Hans-Werner Kalkmann, der so engagiert den Kunstverein Bad

Saltdetfurth leitet, die Kölner Foto-Künstlerin Trash/Treasure, die Dichterin Urszula Usakowska-Wolff, der Schriftsteller und Bühnenkünstler Falko Hennig und der Autor und Vortragskünstler Thilo Bock. Thilo Bock wirdsingen, sicher auch das "Laura-Lied", das für mich der Auslöser war, mich mit ihm näher zu beschäftigen. Alle zusammen werden wir am 14. Oktober ab 19.00 Uhr einen unterhaltsamen und abwechslungsreichen Abend mit Talk und Musik haben. Gäste sind willkommen.

 

Lahmann: Eintritt?

 

Kirsten Klöckner: 5 oder 3 Euro.

 

Lahmann: Und was ist noch zu tun?

 

Kirsten Klöckner: Die Technikabteilung der ADK erwartet einen minutengenauen Ablaufplan für die Veranstaltung. Dabei sind wir Fachleute in Improvisation. Auch hätten sie gern einen Plan für die Bestuhlung – übrigens ein hässliches Wort – dabei kann ich erst sagen, wohin die Bühne soll, wenn die Ausstellung hängt. Ja, da ist noch einiges zu besprechen und zu organisieren.

 

Lahmann: Hast Du denn keinen Hängeplan?

 

Kirsten Klöckner: Ungefähr 17 verschiedene. Und im Ernstfall wird alles doch ganz anders. Aber der Mitarbeiter der ADK, der mir beim Hängen helfen wird und Claudia Jansen, die dabei sein wird, lassen mich hoffen, dass wir die beste Möglichkeit für all die sehr unterschiedlichen Bilder finden werden.

 

Lahmann: Und weiter?

 

Kirsten Klöckner: Ich sitze im Moment noch über der Aufgabe, den Dokumentationsteil zusammen zu stellen. Die Musen werden vorgestellt, verschiedene Stadien der Entstehung meiner Bilder zeige ich, manches Bonusmaterial, das sich im letzten Jahr angesammelt hat ist auch dabei.

 

Lahmann: Zeigst du auch Multiples?

 

Kirsten Klöckner: Ja, eine Auswahl. Und außerdem, einige Musen machen ja eigene Bücher, haben wir eine Sofaecke, in der wir einige Werke der Musen auslegen.

 

Lahmann: Wer sind denn nun genau deine Musen gewesen?

 

Kirsten Klöckner: Matteo Angermüller, Thilo Bock, Friedel Drautzburg, Douglas Gordon, Hannes Kater, Falko Hennig, Hans-Werner Kalkmann, Markus Lüpertz, Ingrid Mössinger, Sandra Scheeres, Trash/Treasure, Wolfgang Ullrich und Urszula Usakowska-Wolff.

 

Lahmann: Nicht alle sind bekannt.

 

Kirsten Klöckner: Darum ging es mir auch nicht. Ich wollte mich mit Menschen beschäftigen, die mir auf irgendeine Weise Eindruck gemacht haben.

 

Lahmann: Wegen ihrer Schönheit?

 

Kirsten Klöckner: Ein guter Witz. Eher nicht. Vielleicht auch das. Das werde ich nicht näher erläutern.

 

Lahmann: Das kann sich ja jeder selber überlegen, der deine Ausstellung besucht.

 

Kirsten Klöckner: Ja, und wenn sich 5 Leute zusammenfinden und sich mit mir verabreden, dann mache ich gern eine VIP-Führung. Ich wohne in der Nähe. Ich bin neugierig. Vielleicht sind ja neue Musen unter den Besuchern einer Ausstellung. Das wäre doch was. Hut, Stock, Schirm, Gesangbuch, Handtsche, alles dabei! Ein Musenbesuch steht an. Nach dem Erfolg von Beute- Kunst I lässt sich Kirsten Klöckner wieder inspirieren. Diesmal aber nicht von fast vergessenen Bildern, sondern von Menschen, die so zu ihren Musen werden. Künstlerkolleginnen, ein Sänger und Schriftsteller, ein kleiner Junge, ein berühmter Gastronom, eine Dichterin, sie alle regen die Malerin zu großformatigen Aquarellen an und kommen selbst ausführlich zu Wort. Und Kirsten Klöckner verrät Berufsgeheimnisse. Wie kommt etwas auf die Leinwand? Warum? Und was um Himmels willen will uns die Künstlerin damit sagen?

Musenbesuch - BeuteKunst II, Hg.: Kirsten Klöckner, Claudia Jansen, Autoren: Hendrikje Adriani, Eva Belz, Thilo Bock, Jürgen Bräunlein, Beata Brunnert, Mike Busse-Lepsius, Friedel Drautzburg, Stephan Goseberg, Falko Hennig, Claudia Jansen, Hans-Werner Kalkmann, Kirsten Klöckner, Uwe Koch, Steffola La Brava, Lahmann, Inge Mueller, Olaf Plotke, Klaus Reinhold, Pia Schmedding, Rod Schmid, Jürgen Schweinebraden, Biggi Selfhelp, Manfred Sommerlad, Klaus Staeck, Tilman Thiemig, Trash/Treasure, Wolfgang Ullrich, Urszula Usakowska-Wolff, Manfred Wolff Musenbesuch, broschiert, 12,5 x 19 cm, 176 Seiten, 183 farbige Abbildungen, Luftschiff-Verlag, Hauptstr. 19, 76891 Bruchweiler-Bärenbach, www.luftschiff-verlag.de | buero@luftschiff.org ISBN 978-3-942792-15-8, 15,- €




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BeuteKunst II - Wie geht Kunst? 2013-04-29 – 23:02:23

Gute Frage. Zum Beispiel am 28. Februar 2013 sah ich in der Tagesschau einen Bericht zu einer gerade eröffneten Ausstellung im Kunstmuseum Wolfsburg von Christian Boltanski. Der Künstler sprach darüber, dass eine Ausstellung sei wie Majonäse rühren – es bleibe bis zum letzten Moment fraglich, ob es gelingt.

Nun. Ein Künstler, der seit vielen Jahren als global superwichtiger Inhaltslieferant für den internationalen Kunstbetrieb gehandelt wird, der kann nichts falsch machen. Selbst wenn die Majonäse mal gerinnen sollte.

Gibt es eigentlich ein verbindliches Handbuch, "Kunst machen für Dummies"? Herr Boltanski braucht das nicht, denn selbst wenn seine Majonäse ungenießbar ist, macht nichts, einem so wichtigen Künstler wird morgen ein neuer Raum, ein neuer Etat für einen neuen Versuch gegeben.

Für unsereins ist das etwas komplizierter.

Ich hatte ein Veilchen gefunden zwischen der von der Polizei bewachten Wohnung von Kurt Westergaard, dem Zeichner der umstrittenen Mohammed-Karikatur und dem mittlerweile von Zaun, Video und Wachdienst beschütztem Hauptquartier der Zeitung Jyllands-Posten. Ich habe es ausgegraben, einige Tage in der Brauseflasche am Leben erhalten und dann in Berlin eingepflanzt.

Wie geht Kunst?

Man kann sich bei der Wissenschaft erkundigen. Zu diesem Buch habe ich – ich weiß, dass es peinlich ist - wegen der Umschlagfarbe gegriffen. Wahrscheinlich dachte ich, es handle sich um feministische Texte. Der Titel "Tiefer hängen" rührte mich. "Sei wie das Veilchen im Moose, bescheiden, sittsam und rein, nicht wie die stolze Rose, die immer bewundert will sein" Wolfgang war auch der Vorname meines geliebten Großvaters. Dem hätte etwas Feministisches gut gestanden. Wenn ich ihm noch ein paar Jahre länger hätte auf die Nerven gehen können, vielleicht hätte ich ihn davon überzeugen können. Und vielleicht hätte ich von ihm doch noch Skat spielen gelernt.

Ein Radiointerview mit Wolfgang Ullrich hatte ich gehört, wenige Tage später das Buch gesehen, gekauft, gelesen. Es steht zwar auch in diesem Buch nicht, wie Kunst geht – aber ich hatte Spaß dabei.

Könnte ich einen Wissenschaftler, den ich persönlich nicht kenne, mithilfe dieses Buches portätieren? Darf man das? Jemanden ungefragt zur Muse erklären? Kann ich das? Und wäre das wirklich eine so prima Idee, einen berühmten Kunstwissenschaftler – so weit ein Kunstwissenschaftler berühmt sein kann – in mein Musenbesuchprojekt mit einzubeziehen? So versuchten schlaue Gesprächspartner mir zu erklären. Wegen der Aufmerksamkeit durch scheinbare Nähe zur Prominenz und so weiter und so weiter...

Und wenn ich aber meine schüchterne Phase habe?

Ich male ein Bild zum Titelthema "Tiefer hängen".

Ein Bild zum Thema "Geschlechtsumwandlung" (Seite 152)

Ein Bild zum Thema "Der Kreislauf von Kunst und Geld" (Seite 94)

Ein Bild zum Thema "Kunst und Märchen haben etwas gemeinsam: in beiden geht es um Grenzüberschreitungen." (Seite 106)

Ach ja, und auch ein Künstlerstreik kommt vor - im Buch.

Während ich das Bild gemalt habe, blühten die dänischen Veilchen. Und wer wissen will, wie Kunst geht, sollte dieses Buch auch lesen. Die Frage wird zwar nicht beantwortet, aber es macht Vergnügen und Lust auf Kunst. Kunst zu sehen. Kunst zu machen.

Titel: Tiefer hängen - über den Umgang mit Kunst

Autor: Wolfgang Ullrich

Verleger: Wagenbach, Berlin

Erscheinungsjahr: 2003

Umfang/Format: 189 S. ; 20 cm

ISBN/Einband/Preis: 3-8031-2479-4 kart. : EUR 11.90

http://www.kultureventbuero.de/kulturtussi/tiefer-haengen-eine-rezension/

Titel: Wolfgang

Jahr: 2013

Künstlerin: Kirsten Klöckner

Technik: Aquarell auf Leinwand, lackiert

Maße: 200 x 100 cm, 2teilig



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BeuteKunst II - brauchen Kinder wirklich Kuscheltiere? 2012-11-21 – 18:45:07

Und was ist eigentlich mit Erwachsenen?

Mein kleiner Freund Matteo hier jedenfalls hat Pandi immer dabei. Und wenn er mir erzählt, dass da gerade eine schön laute Straßenbahn vorbeifährt, dann darf Pandi das auch gern wissen. Das Leben ist bunt und aufregend für Matteo und Pandi.

Wir waren auch im Zoo. Leider war Berliner Panda gerade verstorben. Wir konnten Matteo keinen echten Panda zeigen. Aber als Matteo an einer Sammelbüchse für Pandas vorbeikam, umarmte er spontan den Plastikbär, schmatzte ihn kurz und lief weiter.

Natürlich haben wir davon kein Foto. Dieser Kuss kam spontan - und offenbar direkt vom Herzen. 

Matteos Eltern haben erzählt, dass er erst dann seine noch sehr kleinen Zähne putzen mag, wenn auch Pandi und all die anderen Kuscheltiere das erledigt haben. Dann hoffen wir mal, dass die Tiere immer mitspielen - im Sinne der Eltern.

Manchmal, wenn eigentlich Mittagsschlafzeit ist, da ist Matteo wach und hält lange Ansprachen an die versammelte Kuscheltiergemeinde. Was er den Freunden aus Stoff erzählt? Die Eltern wissen es nicht.

Klaus Reinhold hat erzählt, dass seine Mutter ihm als er so ungefähr sieben Jahre alt war gesagt habe, dass seine Stofftiere vor Weihnachten dem lieben Gott berichten, ob er auch brav war. Das habe sein Verhältnis zu den Stofftieren nachhaltig ruiniert.  

Was soll man dazu sagen?

Ob Klaus uns wohl beschreiben kann, was die Information seiner Mutter beim ihm  ausgelöst hat? Wem hat er danach seine geheimste Geheimnisse anvertraut? 


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BeuteKunst II - Das Bild ist so hässlich!  2012-09-23 – 17:12:44

Lahmann: Was soll das denn?

Kirsten: Was meinst du?

Lahmann: Dieses neue Bild.

Kirsten: Sieben. Und?

Lahmann: Und Rettungsringe.

Kirsten: Nullen.

Lahmann: Was soll das?

Kirsten: Eine Sieben mit Neun Nullen, 7 Milliarden, die ungefähre Anzahl der Menschen, die zurzeit auf der Welt leben.

Lahmann: Aber wie kommst du drauf?

Kirsten: Schuld sind Douglas Gordon und Hannes Kater, wir waren doch letzte

Woche bei der Pressekonferenz.

Lahmann: Ach, weil beide Herren es wichtig fanden, zu erwähnen, dass sie

gezeugt haben. Das war doch nett.

Kirsten: Eher überflüssig. Kann gar nicht verstehen, was das bedeuten soll.

Lahmann: Na, zumindest bedeutet es, dass sie sich nicht dafür schämen, dass sie

ein Privatleben haben.

Kirsten: Wahrscheinlich fanden sie, dass das sie interessanter macht. Dabei hatten sie doch schon freiwillige Zuhörer. Na ja, mich hat das umgetrieben. Es ist schwierig.

Lahmann: Was?

Kirsten: Immer wieder mal komme ich in unangenehme Situationen, wenn mir jemand

vorwirft, dass ich keine Kinder bekommen habe.

Lahmann: Warum eigentlich? Selbstverwirklichung? Karriere?

Kirsten: Na Danke. Nein, ich hatte keine Beziehung, in der Kinder logisch gewesen wären. Ich habe es drauf ankommen lassen, aber offenbar nicht herausgefordert. Schlimm ist das für mich nicht. Es gibt viele Menschen. Viele Kinder. Und bestimmt jede Menge Leute, die als Eltern besser geeignet sind. Auch seltsame Tantchen - 4 Neffen - wie ich haben ihre Funktion im großen Spiel. Wenn ich mir Überbevölkerung vorstelle, dann erinnere ich mich an einen Freitagabend in der Notaufnahme der Charité, da war ich gegen eine Glastür

gerannt, hatte ziemlich viel Blut im Gesicht und ein dickes blaues Auge. Stundenlang wartete ich da zwischen allen anderen Leidenden. Die Schmerzen waren nicht schön, aber der Schreck war schlimmer. Am schlimmsten waren aber die Personen, die nicht aufhören wollten, auf die beiden diensttuenden jungen Ärzte einzureden, um schneller dranzukommen. Voll war es. Ein Wettstreit: wer kann die eigenen Schmerzen am besten dramatisieren? Trotzdem ging es ziemlich klar nach Notwendigkeit und Reihenfolge der Ankunft. Besonders deutlich erinnere ich mich an einen jungen Mann, der Wochen vorher sich die halbe Hand mit Böllern abgeschossen hatte, und nun in der Notaufnahme versuchte, sich härtere Schmerzmittel zu besorgen, weil er noch auf eine Party wollte. Die

Geschichte von den abgeschossenen Fingern des Elektrikerlehrlings, wie es dazu

kam, was das bedeutet und dass er trotzdem Feuerwerk toll findet habe ich mehrfach gehört. Er hat sie jedem anderen Unfallopfer erzählt. Ohne Gnade. Dann hat er randaliert, weil eine Frau mit einer gebrochenen Schulter nach einem Überfall vor ihm behandelt wurde. 

Lahmann: Aber dieses hässliche Bild.

Kirsten: Hässlich?

Lahmann: Hast Du also deine Frustration über nicht geborene Kinder in dem Bild verarbeitet?

Kirsten: Ich glaube eher, dass mein Unbehagen eine Hauptrolle spielt. 2050 sollen es ungefähr neun Milliarden Menschen sein. Es fällt der Welt schwer, allen Sieben Milliarden ein einigermaßen erträgliches Leben zu bieten. Kann das besser werden? Das ängstigt mich.

Lahmann: Das Bild ist so hässlich!

Kirsten: Wer hat bestimmt, dass Bilder schön sein müssen?


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BeuteKunst II - Wir haben ein Problem! 2012-09-14 – 15:23:18

Heute Vormittag habe ich an zwei Pressekonferenzen in der Akademie der Künste teilgenommen.

Der erste Termin fand statt anlässlich der Verleihung des Käthe-Kollwitz-Peises

2012 an Douglas Gordon. Der zweite befasste sich mit der Ausstellung "Überbrechen" von Hannes Kater. Weil "Überbrechen" in der Reihe "ausgewählt" gezeigt wird, in der ein Akademiemitglied, dieses Mal Raimund Kummer, einen Künstler für eine Ausstellung in der ADK vorschlägt, und weil im nächsten Jahr Kirsten Klöckner ausgewählt ist, schien es sinnvoll, sich das anzusehen.

Douglas Gordon sprach über seine Jugend mit viel Fernsehkonsum. Und die Fernbedienung. Englisch: remote control. "If you have the remote control, you have control.” Seine Installation in der Akademie am Hanseatenweg "Pretty Much Every Film and Video From About 1992 Until Now” vereint Arbeiten aus 20 Jahren. Ihm fällt dabei auf, dass er vor 20 Jahren mehr Haare und weniger Bauch hatte. Ansonsten ist das Gebirge der 93 Fernseher mit 74 gleichzeitig laufenden Filmen durchaus sehenswert. http://www.adk.de/de/aktuell/veranstaltungen/index.htm?we_objectID=31151

Hannes Kater ist ein Zeichner, auch er nimmt Technik in Anspruch, und zwar mindestens 20 Projektoren. Auch er hat persönliche Erinnerungen in seiner Ausstellung "Überbrechen" verarbeitet, und zwar die Erinnerungen an die Kindheit im Hansakiez. Seine Zeichnungen bewegen sich von der Fläche in den Raum, sind von seiner "Biografie geprägt und dennoch exemplarisch". Kann man ruhig mal gucken gehen. Kater wird während der Ausstellung weiterarbeiten und so die Sache weiter bringen. Könnte spannend werden.

http://www.adk.de/de/aktuell/veranstaltungen/index.htm?we_objectID=31155

Beide Räume sind dunkel. Bei Gordon leuchten die Fernseher, bei Kater die Projektoren. Beide Künstler sprachen von persönlichen Erfahrungen, die in die Kunst eingeflossen seien und beide hoben hervor, dass sie Vater sind.

Und hier ist jetzt unser Problem:

Was soll Kirsten Klöckner im kommenden Jahr dazu sagen? Persönliche Erfahrungen – klar, welcher Mensch in welcher Profession kommt eigentlich ohne sie aus? Der Kollege Falko Hennig wies darauf hin, dass Sätze, die mit der Floskel "Hirnforscher haben herausgefunden, dass…" beginnen, von den meisten Menschen geglaubt werden. Wir werden das einbauen müssen. Mit Technik werden wir nicht überzeugen können. Über Haare, Gesänge des selbst gezeugten Kindes und Bäuche werden wir nicht sprechen wollen. Was sagen nächstes Jahr zum Thema "Das Eigene Kind", da offenbar ein selbst gemachtes Kind der ultimative Beweis für authentisches Leben und Arbeiten sein soll? Wäre ein Hinweis auf Menstruationsbeschwerden sinnvoll? Krankheiten? Was?


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Versuch: Trash Treasure huldigen 2012-08-30 – 11:09:14

Sympathie ist ein Anfang. Kennengelernt habe ich sie als einen Teil des Künstlerinnenduos Trash Treasure. Ina. Bist du mit meinem Bild von Dir einverstanden?

 

Während meiner Ausstellungseröffnung in Eisenhüttenstadt meine ich irgendwann

von irgendwem im Vorbeigehen folgende Bemerkung gehört zu haben: "jetzt sollen wir dir wohl alle huldigen, was?" Ich bin unsicher, ob ich darauf geantwortet habe, aber seither beschäftigt mich diese kryptische Bemerkung. Huldigen? Wer will das? http://de.wikipedia.org/wiki/Huldigung

Also Ina, wenn Du magst, versteh mein Bild als Huldigung. Von Künstlerin zu Künstlerin. Oder nennen wir es Freundschaft?


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BeuteKunst I - Urszula Usakowska-Wolff informiert! 2012-08-23 – 18:57:01

Dinge leben länger

In der Galerie des Städtischen Museums Eisenhüttenstadt-Fürstenberg zeigt die in Berlin lebende Malerin und Objektkünstlerin Kirsten Klöckner großformatige Aquarelle aus der Werkserie „BeuteKunst“ und Fotos, die ihren Entstehungsprozess begleiten.

„BeuteKunst“ – schon der Titel macht neugierig. Geht es etwa um eine Schau der geraubten und lange im Verborgenen verbliebenen Kulturgüter, die in die Hände der Künstlerin gelangten? Nein, „BeuteKunst“ ist das Ergebnis von Kirsten Klöckners Beschäftigung mit der DDR-Malerei, die sie vor einem Jahr im Kunstarchiv Beeskow entdeckte. In der mittelalterlichen Burg dieser 80 Kilometer von Berlin entfernten brandenburgischen Kleinstadt sind 23.000 Objekte: Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken, Fotografien, Skulpturen, Kunsthandwerk und Medaillen versammelt, die vor 1989 der SED und den Blockparteien, den Massenorganisationen und der Regierung „des ersten Arbeiter-und Bauernstaates auf deutschem Boden“ gehörten. Es sind zum größten Teil Auftragsarbeiten, Ankäufe und Schenkungen, die öffentliche Gebäude schmückten.

Nach dem Ende der DDR wurde ihre offizielle Kunst als „Sondervermögen“ von derTreuhand verwaltet und 1994 an die Bundesländer, in denen sie gefunden wurde, übergeben.

 

Eine Begegnung mit Folgen

Auf den Geschmack der DDR-Kunst ist die 1962 in Braunschweig geborene

Wahlberlinerin Kirsten Klöckner auf Umwegen gekommen. Anfang des vorigen Jahres

lernte sie bei der Eröffnung ihrer Ausstellung „Da kommt noch was“ in der

Galerie Rainer Klimczak in Viersen am Niederrhein Claudia Jansen kennen. Die

Düsseldorfer Kunsthistorikerin und freie Kuratorin erzählte ihr, dass sie auf

der Suche nach dem Material für ihre Dissertation über „Das Arbeiterbild in der

Malerei der DDR“ Kontakt mit dem Kunstarchiv Beeskow aufgenommen und dort auch

prompt eine Stelle bekommen hatte. „Ich besuchte also Claudia in Beeskow, weil

ich wissen wollte, wie ein Archiv aussieht. Ich war vorher noch nie in einem

Archiv“, sagt Kirsten. Sie ließ sich viele Bilder zeigen und hatte das Gefühl,

dass daraus mehr werden könnte als ein Trip in eine unbekannte Welt: „Ich hatte

wenig Ahnung von der DDR-Kunst. Mich interessierte nicht, ob die in Beeskow

aufbewahrten Bilder gut oder schlecht sind, sondern ob ich darin Anregungen für

meine eigene Arbeit finde. Das war am Anfang eine vage Idee, aus der nach und

nach die ‚BeuteKunst’ entstand. Für mich war das ein Experiment mit offenem

Ausgang, denn früher habe ich meine Bilder ohne Plan gemalt.“ Die Arbeit an der

„Beutekunst“ zeigte Kirsten eine andere Herangehensweise: Sie spürte, dass die

Bilder „existieren“ und sie darauf reagieren muss, unabhängig davon, ob sie ihr

gefallen oder nicht. Sie holte sich aus jedem Bild ein Detail, machte einen

Ausschnitt, den sie am PC bearbeitete. Dreidimensionale Elemente wie

Milchverpackungen und Kisten baute sie aus Karton nach. Und sie war überrascht,

dass die Bilder Geschichten erzählten, die mit ihren „inneren Geschichten“

korrespondierten, Assoziationen und Erinnerungen weckten.

 

Ungewöhnliche Details

Kirsten Klöckners „BeuteKunst“-Experiment dauerte ein Jahr und seine Ergebnisse, die „Beutestücke“, können jetzt in der der Galerie des Städtischen Museums Eisenhüttenstadt-Fürstenberg besichtigt werden. Es sind 14 Aquarelle auf Leinwand, lackiert, jede 1 m x 1 m groß, angeregt durch Bilder von dreizehn DDR-Künstlerinnen und Künstler (Barbara Müller, Walter Womacka, Horst Bahr, Jost A. Braun, Rudolf Nehmer, Bruno Bernitz, Neo Rauch, Frank Dierchen, Vera Singer, Bernd Günther, Siegfried Korth, Arno Mohr und Max Uhlig), aber auch von Pablo Picasso und … der Schachtel der filterlosen Zigarette „Karo“, einer DDR-Marke, die Joseph Beuys gern rauchte. „Manche Bilder habe ich im Original in Beeskow gesehen, andere fand ich auf einer CD mit 1.000 Bildern aus dem

Archiv“, sagt Kirsten. Der Entstehungsprozess der „BeuteKunst“, den sie auf 80 Fotos dokumentierte, war mit sehr viel Arbeit verbunden. Sie hatte die Qual der Wahl, aus der kaum vorstellbaren Masse der Bilder solche auszusondern, die durch ungewöhnliche Details, wie zum Beispiel eine bunte Tasse auf dem recht tristen Porträt der Bestarbeiterin Ramona Galius, ihre Aufmerksamkeit fesselten. „Mit den Bildern ist es wie mit der Liebe“, schmunzelt Kirsten. „Bei dem einen Bild ist es Liebe auf den ersten, bei dem anderen auf den zweiten, dritten, vierten Blick. Manchmal war ich aber verzweifelt und wollte aufgeben,

weil ich trotz intensiver Beschäftigung mit dem ausgewählten Werk keinen Ansatz

finden konnte, etwas Eigenes zu malen. Doch was man angefangen hat, das muss man zu Ende bringen.“ Eine zusätzliche Motivation, an der „BeuteKunst“ zu bleiben, war die vor langer Hand geplante Einzelausstellung Kirsten Klöckners in Eisenhüttenstadt. „Die erste sozialistische Wohnstadt“ in der DDR, Anfang der 1950ern bei Fürstenberg an der Oder aus dem Boden gestampft – als Ausstellungsort von Bildern einer Künstlerin aus dem Westen, die sich Anfang der 2010ern von der DDR-Kunst inspirieren ließ, das passte doch zusammen!

 

Geometrie des Alltäglichen

Kunst kommt vom Können. Kunst kommt auch von Kunst. In der neueren Kunstgeschichte ist das gang und gäbe. 1919 verpasste Marcel Duchamp einem Druck von Leonardo da Vincis „Mona Lisa“ einen Schnauz- und Spitzbart. Nach dem Zweiten Weltkrieg interpretierte Picasso die Gemälde alter Meister (El Greco, Delacroix und Velasquez) auf seine Art. Der zeitgenössische US-amerikanische Maler und Bildhauer George Condo setzt wiederum Picassos Motive spielerisch um. Das sind nur einige wenige Beispiele der so genannten Appropriation Art, zu der auch Kirsten Klöckners „BeuteKunst“ zählt. Das Besondere daran ist, dass sie aus dem Fundus einer Kunst schöpft, die, als heikle Hinterlassenschaft der DDR, weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit gelagert wird, weil sie, verdient oder unverdient, einen schlechten Ruf hat. Aus den Bildern, die die

Arbeiterklasse heroisieren oder den Alltag idealisieren sollten, doch in Wirklichkeit durch eine fast schon subversive Tristesse bestechen, pickte sich Kirsten Details heraus, die der Betrachter wahrscheinlich übersehen hätte: einen Helm, eine weiß-rote Straßenabsperrung, eine Leiter, ein Kabelgewirr, Lampions eines Gartenfestes, Kirschen, die auf einem Verandatisch liegen, unordentlich gestapelte Kisten und so weiter. Auffallend ist, dass die Künstlerin ihren Blick nicht auf Menschen, sondern auf Gegenstände richtet, als ob sie sagen wollte: „Guckt genau hin, die banalen und deshalb unbeachteten Dinge leben

länger als politische Systeme und Menschen“. Zugleich wirken die abstrahierten

Gegenstände, die sich zu zellenartigen Ornamenten zusammenfügen, wie eine traumhafte Geometrie des Alltäglichen, in der die Grenzen zwischen Harmonie und Chaos verschwinden.

 

Blog und Buch zur Kunst

Für Kirsten Klöckner war die „BeuteKunst“ ein multimedialer und interdisziplinärer Prozess, an dem sich Freunde, Bekannte und auch Unbekannte beteiligen konnten. Um die Arbeit an der „BeuteKunst“ zu dokumentieren, begann sie im Juli 2011 zu bloggen. Über den Stand der Dinge informierte sie auch regelmäßig auf ihrer Facebook-Seite. So trugen ihre Kunst zur Kommunikation und die moderne Kommunikation zu ihrer Kunst bei. Sie fotografierte jeden Schritt, der sie dem Endergebnis näher brachte, denn, wie sie betont: „Es war mir

wichtig, den Leuten nicht nur die fertigen Bilder zu zeigen. Ich wollte sie vor allem darauf aufmerksam machen, dass die Kunst wie jede andere Arbeit recht anstrengend ist, doch auch Freude bereitet.“ Die von Claudia Jansen kuratierte Ausstellung „BeuteKunst I“ lässt sich auch deshalb sehen, weil das Publikum hinter die Kulissen des künstlerischen Prozesses blicken und beobachten kann, wie sich Ideen und Pixel in reelle Kunstwerke verwandeln und wie aus angeeigneten Details ein eigenes Ganzes entsteht. Die „BeuteKunst I“ und das Buch dazu, sozusagen ein Blog auf Papier, sind das vorläufige Finale eines erfolgreichen Experiments. Die Eins deutet darauf hin, dass Kirsten Klöckner

einen neuen „Beutezug“ plant.

Urszula Usakowska-Wolff


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BeuteKunst I - Impressionen aus Hütte von Frau Jansen 2012-07-22 – 10:57:40

Erst mal galt es heute, die ganzen Eindrücke vom gestrigen Tag zu bewältigen und einzuordnen. Fühlt sich an, als hätte man gleich drei Tage auf einmal erlebt. Nachdem Mittwoch die Hängung unsererseits erledigt war und wir die schlimmsten Pizzen der Welt gegessen hatten (eine mit Gyros/Tzatziki) wodurch uns furchtbar schlecht war (ja, selbst Schuld, aber Herr Preuß hat Übelkeit mit Schnaps kuriert), erreichte mich abends der Anruf, die Bücher seien hübsch und würden Samstag in Hütte angeliefert. Gefühl irgendwie ungut. Freitag dann der entsprechende Anruf, Bücher hätten sich wieder gewellt und seien nicht fertig zur Eröffnung.

Liebe Kirsten, ich hoffte sehr, als Überbringerin der schlechten Nachrichten nicht geköpft zu werden. Da Du ja aber bist wie Du bist wolltest Du vor allem erst mal was Süßes; was ging eigentlich in Dir vor? Dann haben wir Bücher geföhnt mit zwei hübschen, kleinen schwarzen Föhnen, manche wurden besser, andere gar nicht und Herr Zilmann hat's nicht gemerkt und meinte, wir sollten die ruhig so verkaufen. Ich wollte auch männlich damit umgehen und seinem Rat folgen, Du aber hast Dich – zum Glück – am nächsten Tag auf der Fahrt dagegen entschieden: Offensiv damit umgehen und das Buch für einen Fünfer verkaufen, trotz Welle, dafür aber mit Skizze und Signatur, das wolltest Du. Wenn man genau darüber nachdenkt wäre also in diesem Fall männlich, pokern und es drauf ankommen lassen; positiv formuliert. Oder aber diese vielleicht sogar beneidenswerte Haltung: Ich hab was gemacht, also muss es ja toll sein, und das bisschen Welle macht da rein gar nichts! Der negative Aspekt dabei ist der „Betrug“. Weiblich ist dann erst mal das grämen und an sich selbst zweifeln, denn sicher ist es nur schiefgegangen, weil frau selbst irgendwas vermurkst hat. Weiblich ist aber auch, eine schöne Lösung mit der Skizze zu finden. Hätten sich an diesem Tag das Männliche und Weibliche vereint, wären die Bücher wohl zum Preis von 25€ als Sonderauflage mit Signatur, Welle und Skizze angeboten worden.

Was schiefgehen kann, geht weiter schief: Tanjas Autoh hatte auf dem Weg seinen Geist aufgegeben, also konnte sie nicht zur Eröffnung kommen. Petra war die Nacht davor eingeladen, einen Kerl zu besuchen, der dann eingeschlafen war und sie vor geschlossener Tür stehen ließ. Angeblich machen das die Sonnenstürme. Immerhin sind wir nicht in Fangschleuse ausgesetzt worden, wie zunächst im lachenden Wahnsinn befürchtet. Schon die Hinfahrt war, trotz mulmigen Gefühls wegen was auch immer ne prima Sause. Erste Bahn kam 15 Minuten später, sollten wir die nehmen? Was aber mit den anderen? Also reguläre Bahn genommen, Thilo und Susanne saßen schon drin, wir mit Klaus, Martina, Astrid und Stephan dazu, am Alex Helene und kurz vor FFO tauchte dann auch Herr Zilman auf, der seine Frau immer noch nicht gefunden hatte, die aber zum Glück in FFO am Bahnhofauftauchte. Ab in den SEV-Bus nach Eisenhüttenstadt, wo schon Herr Preuß am Bahnhof ungeduldig wartete. NIEMAND wollte mit ihm Auto fahren, erst recht nicht unser ältester Mitreisender, also sind Klaus und ich mit, die anderen zu Fuß. Wie viele waren wir eigentlich? 17? Herr Preuß hat uns im Museumshof erst die Geschichten zu den dort stehenden Skulpturen erzählt, bis sich ein Herr von der Presse euphorisch auf Klaus stürzte, um ihm seine Bewunderung mitzuteilen, alles eben sehr männlich dominiert; Kirsten, Dich hat er nicht mehr interviewt. Dann letzte organisatorische Dinge wie Ansichtsexemplare(Bücher, gewellt) aufhängen, Reden (Klaus und ich) und Musik zweier polnischer Musiker, irgendwie nett. Hätte gern einen lässigeren Umgang mit mir und den Reden, ob das Übungssache ist? Dann Deine zauberhafte Erklärung zur Buchmisere und Signier- bzw. Malstunde. Die Anwesenden wollten alle gern ein bemaltes,gewelltes Sonderexemplar. Da fällt mir noch ein: Der anwesenden Presse, drei Männer und eine Frau, war es besonders wichtig, mit Klaus Staeck zu sprechen und ihn zu fotografieren und zu filmen. Kirsten durfte aber auch was sagen, sie war ja die Künstlerin mit der Ausstellung. Ist wohl ein bekannter Effekt der allerdings bei mir die Frage aufwirft, woran das wohl liegt. Wie kann man so unhöflich sein und völlig scharf darauf, den berühmten Künstler und Akademiepräsidenten zu interviewen (nichts gegen Dich, Klaus), wenn es um etwas ganz anderes geht, nämlich die Ausstellung Beutekunst in Eisenhüttenstadt. Gut, im Ergebnis war es letztlich in Ordnung, was zu sehen und zu lesen war, dennoch. Trotz Deiner deutlichen Erklärungen, gern auf den obligatorischen Blumenstrauß verzichten zu wollen, bekamst Du ein riesiges Exemplar mit weißen Blumen, das Du den Rest des Tages durch die Stadt und bis nach Berlin getragen hast, die „Braut von Eisenhüttenstadt“. Nach der Veranstaltung Essen mit Allemann im „Deutschen Haus“, mich beklemmen solche Namen irgendwie, besonders im Osten, war aber sehr lecker und lauschig. Herr Preuß, dieser großartige Museumsdirektor, hat uns dann noch eine Busfahrt in einem alten Schweizer Postbus angeboten nach Stalinstadt, wir waren ja im OT Fürstenberg. Ein Teil unserer Gruppe hat den Vorschlag begeistert aufgenommen, andere mussten mit einem weinenden Auge nach Berlin zurück und konnten nicht mitfahren. So haben sie den Rest des Abenteuertages verpasst. Für die Zukunft: Reisen mit Klöckner Tours IMMER für den ganzen Tag einplanen, es wird viel geboten! Stephan fand, es sei wie die Magical Mistery Tour, was ein Spaß! Laut hupend fuhr der Busfahrer und in diesem wackligen Gefährt durch dieS tadt und hat bei jedem Hupen gegrüßt wie Königin Beatrix respektive Erich. Hatten leider Pech mit dem Dokuzentrum DDR Alltagskultur, die machten zu und waren nicht flexibel genug für 20 Minuten längere Öffnung, also bisschen durch die Stadt zu Fuß. Begeisterung über Architektur und große Verwunderung, wo sich die 30.000 Einwohner verstecken, wir haben nämlich nur ca. 20 Menschen gesehen. Herr Preuß erklärte später, das sei einer der ersten schönen Wochenendsommertage, da seien alle im Garten. Schließlich weiter im Bus zum Bahnhof, SEV, kam aber keiner. Der nächste fuhr um 18:10 was bedeutete, noch ne halbe Stunde warten zu müssen. Dann war es nicht der SEV sondern der Tuckerbus, erst 19.00 in FFO. Dafür erzählte der Busfahrer Klaus, dass seine Mutter im Ausweis noch Stalinstadt stehen hätte, was insbesondere im Ausland für einige Verwirrung sorge und alle Bemühungen, den Namen ändern zu lassen, gescheitert seien. Hieß damals Stalinstadt und nicht anders und dort sei sie geboren, nicht im späteren Eisenhüttenstadt. In FFO angekommen zum Bahnsteig geeilt und unterwegs stellt Thilo fest, dass auf der Anzeigetafel SEV nach Berlin angezeigt ist, konnte das? Es konnte. Das Informationspersonal der Bahn sah keinen Sinn darin, uns freundlich aufzuklären, im Gegenteil. Toiletten? Hat's hier nich, fragen se da mal. Der Bus soll warten, wie stell'n se sich das vor? Muss aber warten weil Bedürfnisse. Fährt der dann nach Fürstenwalde und von da in den nächsten Bus nach Berlin? Was denken Sie denn, NATÜRLICH fährt dort der Regionalexpress! Ich finde übrigens die Wortzusammensetzung von Regional und Express äußerst irreführend. Die Menschen mit den Bedürfnissen haben sich durchgesetzt, ein weiterer Bus wartete dann, fast hätten sich welche geprügelt glaub ich, die Nerven waren mittlerweile bei einigen ein wenig angespannt. Irgendwann half nur noch singen auf der Weiterfahrt mit dem SEV, Bolle und so; immerhin waren wir nach dreieinhalb Stunden zurück in Berlin.Irgendwo hab ich noch die Liste, durch welche Dörfer wir alle gefahren sind, Mandfred Butzmann hat's auch aufgeschrieben. Der Rest unserer durch verschiedene Ausstiegsbahnhöfe reduzierten, tapferen und mittlerweile mit Berliner Boden unter den Füßen wieder zuversichtlichen Truppe ist dann noch asiatisch essen gegangen –Mittagessen war ja lang her – und hat sich über diesen wunderbaren, erstaunlichen und ereignisreichen Tag gefreut. Am meisten hat mich beeindruckt, dass diese so unterschiedlichen Personen, die sich kaum kannten, sich so gutverstanden haben, Extremsituation hin oder her. Was heißt verstanden, sie sind ich begegnet, haben sich aufeinander eingelassen, ausgetauscht, gemeinsam eine Ausstellung einer Freundin besucht und das nicht etwa Samstag Abend um die Ecke, sondern 1,5 Stunden von Berlin entfernt (eigentlich). Ist selten, zumindest kein Allgemeingut, diese Solidarität, mir war' jedenfalls ganz warm

ums Herz und ist es noch, wenn ich dran denke. Sind jetzt wie eine Gang, die ein gemeinsames Abenteuer teilt und trotzdem hat sicher jedeR etwas eigenes, was er als Besonders mitnimmt. Freundschaft!

 

Claudia Jansen


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BeuteKunst I - Archiv der Einträge: Juni, 2012

Ausflugstipp: Eisenhüttenstadt 2012-06-28 – 17:17:23

Wie wäre es mit einem Ausflug nach Eisenhüttenstadt?

Am Samstag, dem 21. Juli 2012 um 13 Uhr wird die Ausstellung BeuteKunst I mit

Malerei und Fotografie von Kirsten Klöckner in der Galerie des Städtischen

Museums Eisenhüttenstadt, Löwenstraße 4, 15890 Eisenhüttenstadt eröffnet.

Ein Grußwort wird sprechen Klaus Staeck, Grafiker und Präsident der Akademie der Künste in Berlin. Die Kunsthistorikerin Claudia Jansen wird uns das Projekt BeuteKunst I erläutern. Ob Frau Klöckner etwas sagen wird, bleibt ihr Geheimnis. Musik wird es geben von Jaro Minta (Saxophon) und Marcin Nowak (Gitarre).

Ausstellungsdauer: 22. Juli 2012 – 2. September 2012


Seit etwa einem Jahr beschäftigt sich Kirsten Klöckner mit dem Bestand des Kunstarchivs Beeskow und "erbeutet" Motive verschiedener dort lagernder Kunstwerke. Die Künstlerin, deren Malerei sich zwischen Figuration und Abstraktion bewegt, funktioniert eher nebensächliche Details oder Attribute, wie einen Schutzhelm, Fischkisten oder eine Milchtüte für ihre Bilder zum Hauptmotiv um. Hierfür dienen ihr die teils vergessen

Gemälde im Kunstarchiv als Inspiration. Mit der so entstandenen Werkserie "Beutekunst I" präsentiert die Künstlerin eine neue künstlerische Auseinandersetzung mit Kunst aus der DDR, die in der "ersten sozialistischen Planstadt" im Museum Eisenhüttenstadt zu sehen sein wird.


Und wie kommt man da hin?

DB: Regionalbahn RE 1, Magdeburg - Potsdam - Berlin - Frankfurt (Oder) -

Eisenhüttenstadt - Cottbus, (15 min. Fußweg vom Bahnhof zum Museum)

PKW aus Dresden: A 13, B 87 bis Beeskow, dann B 246

PKW aus Berlin: A 12 bis Abfahrt Frankfurt (O.) - Mitte, dann B 112 Richtung

Eisenhüttenstadt

Fahrrad: auf dem Oder-Neiße-Radweg

Boot: Anlegestelle Zoll Eisenhüttenstadt / OT Fürstenberg (O.)


Anlässlich der Ausstellung erscheint das Buch "BeuteKunst I" im Luftschiff Verlag.

Dieses Buch enthält Beiträge aus diesem blog und jede Menge Bonusmaterial wie

zum Beispiel noch mehr Bilder, mehrere Interviews und Frau Klöckner antwortet

auf Fragen, die ihr nicht gefallen.


Hier der Klappentext: "Früher waren mehr Kirschen!

In der Sammlung des Kunstarchivs Beeskow in Brandenburg entdeckt Kirsten

Klöckner die "offizielle" Malerei der DDR. Die Künstlerin (West) entreißt den fast vergessenen Bildern Details, denkt weiter, malt weiter – mal spielerisch, mal ernst und mal traurig. Begleiter auf der Reise ins frühere Drüben sind eine Ausstellungsmacherin, der Chefredakteur einer Jugendzeitung, ein Kunsthistoriker, ein Journalist, ein Kunsthändler, eine Verlegerin, eine Autorin, ein Schriftsteller, ein Schulleiter a. D., ein Schüler, ein Galerist, ein Grafiker, eine Lyrikerin sowie ein fremder Herr mit Gladiolen. Sie alle gehen

mit- und gegeneinander folgenden Fragen nach: Was bleibt vom Kunstschaffen der

DDR? Woher kommt die Inspiration? Hat das mit uns zu tun? Warum?"

Kirsten Klöckner, BeuteKunst I, 2012, Luftschiff-Verlag, mit Beiträgen von Matthias Flügge, Norbert Hilbig, Helene Hecke, Falko Hennig, Claudia Jansen, Florian Jendrusch, Rainer Klimczak, Kirsten Klöckner, Lahmann, Ben Mendelson, Olaf Plotke, Siegfried Sander, Barbara Spahn, Klaus Staeck, Urszula Usakowska-Wolff, 120 Seiten mit zahlreichen farbigen Abbildungen, broschiert, ISBN 978-3-942792-11-0, 15 €


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BeuteKunst I - Am Ausrüstungskai 2012-04-16 – 12:21:03

Irgendwas mit Schiffen wollte Frau Klöckner - und Frau Jansen hatte irgendwas mit Schiffen im Angebot: ein Bild von Siegfried Korth mit dem Titel 'Am Ausrüstungskai'.

"Gibt's denn nichts mit Schiffen auf hoher See? Am liebsten mit Sturm und Wellen? Eventuell Gewitter?" jammerte Frau Klöckner, aber Frau Jansen fand nichts derartiges.

Doch die Zeit schien günstig für Schiff in Katastrophe. Darf man das so sagen? Die zahllosen Fernsehberichte und Zeitungsfotos der gekenterten Costa Concordia schoben sich vor das Bild des Ausrüstungskais. In der Erinnerung das stolze Schiff.

Zum Thema schreibt hier Ben Mendelson:

http://punkt.blogsport.de/2012/03/02/schiffsunglueck/Schiffe.

Briefmarken.

Frau Klöckner erklärt, dass sie niemals den Zauber des Briefmarkensammelns

verspürt hat.  Aber daran, dass es ihn gibt, daran zweifelt sie nicht.


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Falko Hennig mit Claudia Jansen über Kirsten Klöckner, die auch dabei war 2012-04-02 – 19:12:03

FH: Ich kenne Dich ja so gut wie gar nicht, weiß eigentlich nur, dass Du irgendwie im Archiv arbeitest. Trifft das zu?

 

CJ: Ich arbeite im Kunstarchiv Beeskow.

 

FH: Und Du fährst mit einem Lada herum und kommst eigentlich aus Dortmund? Das stimmt alles?

 

CJ: Nein, aus Kelzenberg, lebe in Düsseldorf.

 

FH: Kelzenberg?

 

CJ: Ja, das ist nah an Düsseldorf. Ein kleines Örtchen mit 400 Einwohnern.

 

FH: Also ein Dorf.

 

CJ: Ja.

 

FH: Und du arbeitest in Beeskow im Kunstarchiv? Oder wie heißt das genau?

 

CJ: Das heißt mittlerweile Kunstarchiv Beeskow. Es hatte mal einen anderen Namen, Dokumentationszentrum Kunst der DDR, Burg Beeskow. Dort lagern ungefähr 23.000 Werke der Bildhauerei, Malerei und Grafik aus der ehemaligen DDR. Es wird verwaltet von den Ländern Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Was nach der Wende „übrig geblieben“ war und irgendwo hin musste, vor allem, was in öffentlichen Gebäuden gehangen hatte wurde zum Teil unter die Verwaltung der Treuhand gestellt und dann wurde viel darüber diskutiert was damit zu tun sei. Es war fraglich, ob diese Arbeiten überhaupt noch jemand haben wollte. Wer will sich damit beschäftigen? Oder kann das eigentlich alles weg? Dann haben die einzelnen Länder entschieden – Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen – dass sie ihren Bestand selbst verwalten wollen und die drei anderen haben sich zusammengeschlossen. Da gab es diesen Speicher in Beeskow und dorthin wurden die Werke verbracht und werden da seitdem archiviert und ausgestellt. (weitere Informationen www.kunstarchiv-beeskow.de)

 

FH: Und was genau ist da deine Funktion? Bist du jeden Tag in Beeskow?

 

CJ: Nein, ich fahre im Schnitt einmal im Monat da hin. Sonst bin ich in Düsseldorf, da ich auch noch in der Galerie Rainer Klimczak in Viersen arbeite. Da habe ich auch Kirsten kennen gelernt.

 

FH: Aha! Die Viersen-Connection!

 

CJ: Genau. Ich schreibe meine Doktorarbeit über das Arbeiterbild in der Malerei der DDR. Ich hatte in Beeskow gefragt, ob ich diesbezüglich mal forschen kommen könnte, was ich auch gemacht habe. Währenddessen gab es diesen seltenen und glücklichen Zufall: Sie hatten gerade Geld für eine Stelle, fanden meine Arbeit gut und wunderbar passend und wollten mich beschäftigen.

 

FH: Kann man das zusammenfassen? Wie ist das Arbeiterbild in der DDR? Die Arbeiter waren ja die herrschende Klasse, wurde behauptet, in der Wirklichkeit herrschte ja eher die SED. Oder?

 

CJ: Ja, aber man kann das nicht so einfach auf einen Punkt bringen. So weit bin ich auch immer noch nicht mit meiner Einschätzung, es kommt ständig etwas Neues dazu. Da ich mich ja hauptsächlich um diesen Bestand in Beeskow kümmere, der tatsächlich ja eben Werke enthält, die irgendwo öffentlich hingen ist es vielleicht noch mal ein anderer Ausdruck, der sich da zeigt als wenn man sich Zufallsprodukte anguckt oder Arbeiten, die irgendwo noch im Museum hängen. Da gibt es noch mal einen anderen „Dreh“. Die Entwicklung besonders der Malerei in der DDR wird ja eher so beschrieben: die 50er und die Anfang 60er Jahre waren noch sehr geprägt von heroischen, überhöhten Arbeiterdarstellungen und alles war schön naturalistisch abgebildet, was sich ab Mitte der 60er und vor allem beginnenden 70er Jahre änderte. Aber so einfach ist das natürlich auch nicht. Wie überall gab es auch Nebenwege, eigene Bildfindungen und Stile, Künstler, die stur ihr Ding weitergemacht haben und es gab auch welche, die von Anfang an da (Arbeiterbild) gar nicht mitgemacht haben.

 

FH: Kann man nicht einfach sagen, dass es besser gewesen wäre, das alles wegzuwerfen? Es war doch alles scheußlich, was da 'rum hing in den öffentlichen Gebäuden.

 

CJ: Nein. Ich glaube – das bestätigen auch Zeitzeugen – dass tatsächlich vieles auf dem Müll gelandet ist. Also wenn man sich vorstellt, da saß jemand im Büro und hatte ständig so einen Honnecker-Kopp da hängen, ob er das gut fand oder nicht, hat er den in den Wende-Wirren vielleicht einfach weggeschmissen. Manche haben Sachen auch mit nach Hause genommen. Gerade, was Grafiken betrifft gab es auch die Möglichkeit, diese für - was weiß ich - 10 Mark zu kaufen, und die Arbeiten waren aus dem „Blickfeld“. Wenn man heute die Arbeiten nicht mehr nur als Zeitdokument auffassen möchte, was sie in gewisser Weise natürlich sind, sondern auch aus kunstwissenschaftlicher Perspektive – dann kann ich auch nicht so richtig sagen, das hätte weggeschmissen gehört. Diese Kunst an sich war ja nichts Böses und Schlechtes, und meine Aufgabe in Beeskow besteht unter anderem darin, zu schauen, ob es nicht wirklich Wechselwirkungen der Kunstrichtungen und Inhalte gab und wo sich diese im Bild festmachen lassen. In diesem Zusammenhang ist die Frage nach dem Auftrag, auf der ja in den letzten Jahren sehr 'rumgeritten wurde, nicht wichtig für die Bildaussage.

 

FH: Aber auf jeden Fall ist ja keine oppositionelle Kunst dabei, oder? CJ: Nein. Aber die Gegenfrage wäre jetzt auch: was ist oppositionelle Kunst? FH: Zum Beispiel wo Honecker oder die SED als lächerliche Figuren dargestellt würden.

 

CJ: In dem Fall nicht. Wobei – manchmal gibt es schon Sachen. Wenn man von der Bildaussage ausgeht, muss man sich manchmal fragen – wenn man dieser allgemeinen Vorstellung folgt, dass alles bis ins kleinste kontrolliert wurde und da überhaupt kein Witz und keine Ironie und nichts drin sein durfte – da muss man sich schon fragen, warum viele Sachen durchgegangen sind. Heute denkt man, das kann doch nicht sein, das ist doch...

 

FH: ...was zum Beispiel?

 

CJ: Das fiel mir das erste Mal in einer Ausstellung auf, das ist aber schon ewig her, Fotografien von Sibylle Bergemann vom Aufbau des Marx-Engels-Denkmals. Besonders der am Seil schwebende Engels wirkt eher der Lächerlichkeit preisgegeben als verehrt. Die Fotografien wurden aber sehr gelobt, schließlich dokumentierte die Künstlerin Entstehung und Aufbau einer Plastik der Väter des Sozialismus. Auch in Beeskow gibt es solche Gratwanderungen.

 

FH: Wie viele Bilder und Grafiken sind dort in Beeskow?

 

CJ: Wie gesagt, etwa 23.000 Objekte, davon ca. 1600 Gemälde, der größte Teil Grafiken und auch Skulpturen und Kunsthandwerk.

 

FH: Und könnte man da nicht einfach mal hin und sagen, ich brauche noch eine schöne Plastik für meinen Garten, sich etwas aussuchen und 100 Euro in die Kaffeekasse tun?

 

CJ: Nein, das kann man leider nicht. Das ist alles Länderbesitz und wird in Beeskow lediglich verwaltet. Man kann aber Arbeiten leihen. Es gibt viele Sachen, die sind an Institutionen, Banken oder Ministerien verliehen, was eigentlich lustig ist, wenn man es recht bedenkt.

 

FH: Die hängen heute in Ministerien? Die heroischen Arbeiter und Bauern?

 

CJ: Nein, es gibt ja auch ganz viele Landschaften, ich würde sagen mindestens ein Drittel von diesem Malereibestand sind Landschaften. Die werden besonders gern genommen von Ämtern oder Banken. FH: Eigentlich ist doch dieses Lager prädestiniert dafür, auch Kirstens Arbeiten zu diesen Kunstwerken mit aufzunehmen. Oder? Die würden doch perfekt korrespondieren. Wie kann man sich das vorstellen? Ist das eine Art Fabrik? Eine Lagerhalle?

 

CJ: Nein das ist ein alter Speicher an der Spree, der mit Regalen und Klimaanlage versehen und für die Lagerung von Kunst umgebaut wurde. Ein anderes Gebäude mit mehr Platz wäre wichtig, denn im jetzigen Zustand wirken die Bilder und Skulpturen wie eingesperrt und abgestellt. Das ist so ein Gefühl, das sich nicht richtig beschreiben lässt, aber das beschreiben auch andere Besucher. Wir hatten letzten Sommer eine Tagung in Beeskow, und dann sah man an den Reaktionen die Bedrückung gespiegelt, die die Situation ausstrahlt.

 

FH: Das hat es ja eigentlich gemein mit jedem Lager, das hauptsächlich dem Lagern dient, dass da alles eher nach zweckmäßigen Gesichtspunkten in Regalen steht und nicht präsentiert wird.

 

CJ: Vielleicht, aber in Beeskow weiß man, dass es der offizielle Rest von etwas, in dem Fall der Rest der „offiziellen“ Kunst der DDR ist, einem Staat, der 40 Jahre existierte und den es erst seit knapp 20 Jahren nicht mehr gibt.

 

FH: Na ja. Was ist denn absehbar, was in der Zukunft aus diesem Lagerbestand werden wird? Wenn man mal spekuliert, was ist damit in 100 Jahren? Werden da immer noch in Beeskow oder an einem anderen Ort dieselben Bilder, Grafiken und Statuen als einheitliche Sammlung der Kunst der DDR bestehen?

 

CJ: Das ist eine interessante Frage. Es sollte eigentlich einen Neubau geben mit einem Schauraum und Büroräumen und einem größeren Depot. Es gab einen Wettbewerb. Das Land Brandenburg hatte zugesagt, dass es Mittel bereitstellen würde. Als dieser Wettbewerb dann gelaufen war, entschied sich das Land doch gegen eine Finanzierung. Ich kann nicht beurteilen, welche politischen Verwicklungen es da eventuell gab, derzeit sieht es jedenfalls schlecht aus für einen Neubau. Die Hoffnung war unter anderem, mit dem Neubau besser werben zu können, weitere Gelder vor allem für Mitarbeiter zu bekommen. Jetzt muss man sich etwas anderes einfallen lassen. Ich kann mir im Moment nicht vorstellen, was in 100 Jahren sein wird.

 

FH: O.K. Zukunft unsicher. Aber immerhin, aus Sicht der DDR sind wir ja schon in der Zukunft. Gibt es für den gewaltigen Bestand Gemeinsamkeiten? Könnte man sagen, diese Kunst insgesamt unterscheidet sich von der westdeutschen sehr deutlich in dieser oder jener Richtung?

 

CJ: Ja. Die Themen waren sehr auf die Arbeit bezogen und die Figuration bevorzugt. Ich bin mir nicht sicher, ob wir in Beeskow überhaupt ein nicht-figuratives Werk haben.

 

FH: Landschaftsbilder könnten ja fast abstrakt sein. Aber es ist alles gegenständlich?

 

CJ: Na ja, manches geht in Richtung Abstraktion, aber das meiste ist gegenständlich.

 

FH: Das ist ein deutlicher Unterschied.

 

CJ: Der Mensch, der „neue sozialistische“ Mensch war wichtig und der Alltag. Und dann haben Mythen eine große Rolle gespielt. Darüber konnte man unter Umständen ein bisschen Kritik an den politischen Verhältnissen üben. Auf der anderen Seite ist das ganz interessant, weil es...

 

FH: ...Mythen welcher Art? Siegfried oder...

 

CJ: ...nein nein, Ikarus war sehr beliebt, das fing schon in den 60ern an, dann in den 80ern natürlich durch Christa Wolf Kassandra, das wurde gerade in der Grafik viel bearbeitet. Es ist immer ganz schön, wenn man die Interpretationen der jeweiligen Zeit aus der DDR ansieht-ich hab heute noch eine gelesen-die das dann gern zur allgemeinen, nicht die DDR betreffenden Aussage interpretieren. Zum Beispiel: Die Künstler hatten das ja in sich, zu merken, dass irgend etwas ist, so haben sie ja auch zum Beispiel den II. Weltkrieg vorausgesehen und niemand hat ihnen geglaubt, dafür stehe die Kassandra-Figur. Dass die Kassandra aber vielleicht auch etwas innerhalb der DDR ansprechen könnte, das tauchte in dieser konkreten Besprechung nicht auf, und die war auch schon von 1983.

 

FH: Ja, stimmt, ich erinnere mich auch, dass Ikarus oft vorkam, wobei ich dachte, das wäre so 'ne allgemeingültige, auch im Westen präsente Legende. Aber Du würdest sagen, dort findet man ihn eher nicht?

 

CJ: Das weiß ich ehrlich gesagt gerade nicht. Aber der Künstler war ja seit der „Autonomie der Kunst“ nicht mehr „gezwungen“, sich religiöser oder mythologischer Themen anzunehmen, seit Mitte des 19. Jahrhunderts widmeten sie sich verstärkt alltäglichen Themen, auch Arbeitsdarstellungen. Nach 1945 ging es in Deutschland vor allem darum, sich auch in der Kunst vom Nationalsozialismus zu befreien. Anknüpfen an die Zeit vor 1933 oder etwas völlig Neues schaffen, im Westen beantworteten viele die Frage mit der Abstraktion.

 

FH: Gibt es überhaupt einen ähnlichen Bestand in einer Sammlung oder ein Depot im Westen, dass man überhaupt diese Kunst miteinander vergleichen kann? Weil im Westen gab es ja keine Staatspartei, die der Auftraggeber war oder so.

 

CJ: Also was immer mal wieder im Gespräch ist, ist die Artothek in Berlin, die Soziale Künstlerförderung. Die haben auch einen großen Bestand von Künstlern, die wegen ihrer sozialen Bedürftigkeit mit Werkverträgen gefördert wurden. 2003 wurde die Förderung eingestellt und auch dort wird überlegt, wie mit dem bestand umzugehen ist. Ob der sich vergleichen ließe, das kann ich nicht beurteilen, ich denke eher nicht.

 

FH: Ist das im großen und ganzen Kunst, die nicht so teuer gehandelt wurde? Also es gab ja berühmte DDR-Künstler, die glaube auch international verkauft haben. Du kennst sie bestimmt besser, also Willi Sitte oder Tübke oder so. Sind die auch dabei oder ist es eher eine Sammlung von weniger Bekannten?

 

CJ: Die sind auch dabei, wobei dieser Bestand zum Teil ja Anfang der 90er von der Treuhand eingesammelt und verwaltet wurde. Er ist dann nach dem Fundortprinzip an die einzelnen Länder zurückgegangen, und da Mattheuer, Heisig und Tübke aus Leipzig waren, befinden sich deren Werke vorrangig in Sachsen oder auch in den Beständen unterschiedlicher Museen, welche die großen Namen damals eingekauft haben. Wir haben aber auch Sitte-Gemälde und Grafiken von Tübke und Mattheuer. Auch ein Neo Rauch von 1984 findet sich im Kunstarchiv Beeskow.

 

FH: Da würde man doch heute vermute ich ein hübsches Sümmchen für bekommen, oder?

 

CJ: Würde man nicht, denn Herr Rauch oder Herr Lybke oder beide lassen meines Wissens nach kein Werk auf dem Markt gelten, das vor 1993 entstanden ist.

 

FH: Inwiefern nicht gelten?

 

CJ: Der Kunstmarkt hat ja seine eigenen Gesetze. Nehmen wir an, Du willst einen Neo Rauch verkaufen, dann fragst Du vermutlich beim Künstler oder seinem Galeristen eine Bewertung der Arbeit an. Die Antwort ist dann eben, wenn vor 1993 entstanden gehört er nicht zu meinen wichtigen Arbeiten und ist folglich nichts wert. Dann wird das Bild gleich nicht mehr so hoch gehandelt und Du müsstest jemanden finden, der einfach aus Leidenschaft denkt, das will ich unbedingt haben, aber rein kunstmarktgesetzlich würde das so nicht funktionieren. Ich glaube, so ähnlich funktioniert es wohl.

 

FH: Na gut, dann leider nicht.

 

CJ: Möchtest Du was kaufen oder möchtest Du was verkaufen? Du bist so hinter dieser Frage her?

 

FH: Och, am liebsten beides! Wie bist Du auf Kirsten gestoßen? Du hast da gesessen in deinem Büro und da klingelte das Telefon oder wie war das?

 

CJ: Nein, Kirsten stand da bei der Eröffnung bei Klaus Staeck in der Galerie Rainer Klimczak und trug so eine schöne Kette wie auch heute wieder – ich glaube, wir sind sogar über diese Kette ins Gespräch gekommen. Jedenfalls fragte ich sie, was sie denn so machte und als sie ihren Namen verriet dachte ich: Moment, haste schon mal gehört, sie ist doch hier beim Rainer vertreten.

 

FH: Und dann seid ihr auch schnell auf diese DDR-Kunst zu sprechen gekommen? Oder spielte das da noch gar keine Rolle?

 

CJ: Ja, die Kirsten hat gesagt: Super, DDR-Kunst, das ist mein absolutes Steckenpferd, ich muss da sofort hin!- Nein, wir haben da gar nicht drüber gesprochen. Wir haben auch gar nicht über Kunst geredet, glaub ich. (Kirsten: Nein)

 

FH: Nur über Ketten?

 

KK: Na über so Frauensachen wahrscheinlich.

 

CJ: Na und dann weiß ich gar nicht, haben wir dann erst Deine Ausstellung in Viersen gemacht?

 

KK: Ich hab dich in Beeskow besucht weil ich wissen wollte, wie so´n Archiv aussieht. Ich hab noch nie ein Archiv gesehen.

 

FH: Na hier, das ist auch ein Archiv. (wir sitzen bei Falko)

 

KK: Na eher ein Gerümpelhaufen.

 

FH: Gerümpelhaufen, also...

 

KK: Der bewohnt ist.

 

FH: Du könntest jeden fragen, ein Gerümpelhaufen sieht eindeutig anders aus! Aber nun gut, zu Beeskow.

 

CJ: Kirsten kam dann nach Beeskow und dann sind wir in den Speicher gegangen. Da sagte sie immer „Oh! Ah!“ Und dann gingen wir in die Kammer, die eigentlich zur Burg Beeskow gehört, da sind unter anderem so alte Schinken drin.

 

FH: Ach so, so Ritter Kunibert.

 

KK: Oder so Frollein mit Spitzenhäubchen.

 

FH: Also so richtig Gemälde von 1500nochwas?

 

CJ: Also eher 1800nochwas. Und die eine Dame mit Spitzenhaube, die hatte so einen Riß im Gesicht.

 

KK: Also da war die Leinwand kaputt und davon hab ich ein Foto gemacht und das hab ich dann nachgemalt, das fand ich so schön.

 

FH: Erinnerst Du Dich, als sie dieses Foto gemacht und das Bild gemalt hat?

 

CJ: Sie hat mir dann ein Foto geschickt von dem Bild das sie gemalt hat und ich musste sofort sehr lachen, denn da wo vorher das Loch war, hat Kirsten ein Stück Kreppband aufgeklebt. Das war ganz wunderbar. Und sie fragte: Guck mal, da muss man doch irgendwas mit machen können, oder?

 

KK: Dann kam eben diese Idee, kann man nicht aus den Bildern die da sind sozusagen Anregungen finden, eigene Arbeit finden.

 

FH: Würdest Du das empfehlen, für zeitgenössische Künstler, nach Beeskow zu pilgern um Inspiration von den Gemälden dort zu bekommen?

 

CJ: Nein!

 

FH: War es ein Fehler von Kirsten?

 

CJ: Ich würde schon grundsätzlich keinem Künstler irgendwas in dieser Richtung empfehlen, also manchmal macht man's doch, aber ungern, ich finde es ist nicht meine Aufgabe einem Künstler zu sagen, wo er sich seine Inspiration holen soll.

 

KK: Inspiration liegt auf der Straße.

 

CJ: Genau. Klaus hat das doch schon schön mit dem Pilzesammeln erklärt.

 

KK: Ja, der Beuys hat ja gesagt, die Mysterien finden am Hauptbahnhof statt. Oder man könnte ja auch sagen, Inspiration gibt’s im Mülleimer, egal wo, völlig egal.

 

CJ: Das war ja alles ein Zufallsprodukt. F

 

H: Ja, aber man muss sagen, ohne Dich, Deine Tätigkeit und Deine kommunikativen Fähigkeiten wäre es nicht zu dieser Werkserie von Kirsten Klöckner gekommen?

 

CJ: Also sie wäre wahrscheinlich nicht von sich aus nach Beeskow gefahren, denn ich glaube ihr war gar nicht klar, dass Beeskow existiert.

 

KK: Nö.

 

CJ: Wie so viele Leute nicht wissen, dass das Kunstarchiv Beeskow existiert.

 

KK: Und dann kam natürlich dazu dieses Angebot, die Ausstellung im Museum Eisenhüttenstadt zu machen. Das hat das Ganze quasi von einem lockeren Gedanken zu einem Plan gemacht. Das hat sich entwickelt, so würde ich das sehen. Das hat sich irgendwie so zusammengesetzt aus verschiedenen Anstößen heraus.

 

FH: Vielleicht können wir wenn ich' s finde gleich mal hören „Ich will zurück nach Eisenhüttenstadt“, das kann ich Euch vorspielen.

 

KK: Ist das ´n Lied?

 

FH: Das ist ein Lied von Ivo Lotion, das ist ganz hübsch.

 

CJ: Klingt schön.

 

FH: singt: Ich will zurück nach Eisenhüttenstadt, hmhmhm

 

KK: Ich glaub, die Versorgungslage war so' n bisschen suboptimal da.

 

FH: Ja, da gibt' s eben nicht diese feinen Ciabatta-Brötchen (FH: betont Tschiabatta), die Du gewöhnt bist.

 

KK: Da gab' s nicht mal Wurst das letzte Mal am Bahnhof!

 

CJ: Als ich das erste Mal in Beeskow war, war ich sechs Wochen am Stück dort und bekam irgendwann total Lust auf asiatisches Essen, am liebsten Sushi, da war ich dann vor eine Herausforderung gestellt.

 

FH: Wie, da haste dann einfach in Beeskow jemanden nach Sushi gefragt?

 

CJ: Nein, manchmal gibt' s das ja in Supermärkten im Kühlfach.

 

KK: Tiefgefroren.

 

CJ: Ja, das war dann leider letztlich das, worauf ich zurückgreifen musste, das war eklig.

 

FH: Ja das klingt so´n bisschen wie, da kommen also die Menschen aus Dortmund oder so, aus dem Westen, nehmen unseren SED-Rentnern die Jobs bei der Museumsverwaltung weg und meckern, dass es kein Sushi gibt.

 

CJ: Ja.

 

KK: Und dann kommen noch die Westkünstler und malen die Bilder ab und nicht mal gut!

 

FH und CJ: Genau!

 

FH: Die nehmen, was sie so wollen. Aber tatsächlich bist du da so auf Ost-West-Vorurteile gestoßen? Ich meine, das ist ja wie wir hören eine durchaus berechtigte Angst, dass die Versorgung anders ist als in einer entsprechenden Kleinstadt in Westdeutschland, oder?

 

CJ: Na wie ich schon sagte, ich komme aus einem 400 Einwohner Dorf in Westdeutschland

 

FH: Da gibt' s Sushi.

 

CJ: Nein, eben nicht. Aber ich kann von da aus in 15 Minuten mit dem Auto irgendwo sein, wo ich das bekomme. In Brandenburg war ich dann doch überrascht, zumal ich in diesem Schneewinter Januar 2009 da ankam, und da hatte auch nix auf. Man lebt zwar gerade in Beeskow auch vom Tourismus, aber im Winter haben die meisten Restaurants geschlossen. Da eine, das geöffnet hatte, machte um 19 Uhr zu. Naja, und zu den Vorurteilen kann ich natürlich was erzählen, das können wir dann aber sowieso nicht veröffentlichen, weil die Kollegen das vielleicht übelnähmen.

 

FH: Ach, das ist natürlich schade, immer das Schönste kann man nicht nehmen.

 

CJ: Also zumindest kann ich sagen dass ich das Gefühl hatte, sehr lange zu brauchen, um das Misstrauen zu überwinden.

 

FH: Vielleicht dachtest Du selbst im Stillen, dass alle bei der Stasi waren?

 

CJ: Nein, das hab ich nie gedacht. Ich war vor allen Dingen, als ich da ankam froh, dass ich was Sinnvolles für meine Doktorarbeit tun konnte. Als mir dann noch ein Job in Aussicht gestellt wurde war ich noch froher, weil ich nämlich zu dem Zeitpunkt keinen hatte. Also war ich vor allen Dingen dankbar und dadurch hatten sie sowieso bei mir gewonnen. Ich fand alle sehr nett. Ich fand auch die Brandenburger sehr nett, aber wenn ich das den Brandenburgern sage, gucken die mich verständnislos an und sagen: Uns sagt man aber nicht nach, dass wir nett sind!

 

FH: Also das hab ich auch noch nie gehört, also nett hör ich jetzt zum ersten Mal. Dick hör ich oft. Aber na gut.

 

KK: Der Brandenburger ist dick und ernährt sich von Wurst.

 

CJ: Das liegt daran, weil' s dort kein Sushi gibt.

 

FH: Er berlinert stärker als der Berliner.

 

KK: Ja, meine Frau Nachbarin sagt ja auch, das Berlinern haben ja die Brandenburger Putzfrauen eingeführt in Berlin. Die Berliner sprechen so nicht.

 

FH: Ja, ich überleg gerade, ob noch ein wichtiger Punkt thematisiert werden müsste. Also, wir haben das ja noch nicht weitergeführt. Nehmen wir an, Kirsten möchte, dass ihre Arbeiten mit im Archiv verwaltet würden, wäre das möglich?

 

CJ: Nein, denn es handelt sich in Beeskow ja um DDR Kunst und da die Kirsten ja nun aus dem Westen ist geht das nicht. Und Kirstens Bilder kann man ja auch kaufen, ein weiterer Unterschied, um mal wieder darauf zurückzukommen. Farbe ist auch so ein Thema.

 

FH: Farbe ist auch so ein Thema? Sind die Bilder von Kirsten bunter?

 

CJ: Bunt klingt meist so negativ. Aber ja, sie strahlen eine wunderbare Farbkraft aus. Was auffällt an diesem Bestand ist der doch eher vorherrschende, zurückhaltende Farbton. Wie unsere Restauratorin sagt liegt das teilweise auch einfach an den Farben, die man so zur Verfügung hatte, aber man fragt sich häufig: ist das verblasst oder war das immer schon so? Es ist vielleicht nicht immer die Absicht des Künstlers gewesen aber der Bestand im Ganzen strahlt so eine gewisse Tristesse aus.

 

FH: Ja, ist schwer zu beantworten. Die jungen Leute glauben inzwischen, hab ich gelesen, dass in der DDR alles schwarz/weiß gewesen wäre weil die Fotos ja auch alle schwarz/weiß sind aus der Zeit.

 

CJ: Du hast den Farbfilm vergessen...

 

KK: Es ist klar, dass Nina Hagen aus der DDR kam.

 

FH: Ja, aber ich würde Nina Hagen nicht unter DDR-Kunst abheften wollen. Da kommen zu viele fernöstliche Religionen vor.

 

KK: Ja, aber diese Sehnsucht nach irgendwelchem Fernen, möglichst Abseitigem, ich meine, nirgendwo sonst wird das doch so kultiviert wie in der Abgeschlossenheit.

 

FH: Ja, mag sein. Ich weiß nicht, fällt Dir zum Themenkomplex Kirsten/DDR-Kunst noch irgendwas ein, was unbedingt gesagt werden muss? Sonst würd' ich mich bedanken für die ausführlichen Informationen. C

 

J: Das eigentlich Wesentliche ist Kirstens künstlerischer, unbefangener Umgang damit. Du hast immer so gefragt, warum das da lagert und was damit passiert. Und Kirsten gibt darauf eine von mehreren möglichen Antworten. Auch wenn das vielleicht nicht ihre ureigene Absicht ist, geht sie ja eigentlich so damit um, dass von dieser Kunst etwas übrig bleibt und weiter transportiert wird, in welcher Form auch immer. Das – finde ich – ist doch eigentlich der sinnvollste Umgang mit den Sachen: nicht immer nur rückwärts betrachten und forschen, sondern nach vorn weiterdenken. Ich will einfach nur sagen, Kirsten geht weiter mit den Werken, sie bleibt nicht dahinter zurück, sondern macht ihr eigenes Bild daraus.


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BeuteKunst I - muss das denn sein? 2012-03-21 – 15:54:09

Es gibt Bilder, die haben sicher ihren Sinn, die sind auch bestimmt mit Kenntnis und Können gemalt worden. Die haben auf jeden Fall ihre Berechtigung. Und trotzdem kann jemand wie Frau Klöckner kaum etwas damit anfangen. Sie hat vermutlich nicht genügend Bereitschaft zur Empathie. Das könnte eine ernsthafte Störung sein. Oder einfach Gedankenfäule.

Hier, in diesem Falle ist das Problem ein Bild von Vera Singer aus der Reihe Buna-Aphorismen, Limonadenbude. Frau Jansen hatte sich gewünscht, dass diese Limonadenbude ein Anreiz für Frau Klöckner werden sollte. Nein, nein. Die Helme? Nein. Die Männer? Nein. Der Hintern der Dame? Nein. Die Architektur der Bude? Nein. Der Kasten. So einen Kasten hat Frau Klöckner nur leider noch nicht gesehen. Und Google spuckt auch nichts derartiges aus. Aber im Haus nebenan gibt es ja dieses kleine Geschäft. Da gibt es Kästen. Bier, Limo, was auch immer.

So?

Oder so?

So isses. Na dann Prost.


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BeuteKunst I - Informationen sind immer gut, 2012-02-27 – 22:09:11

man weiß ja nie, wofür man sie noch mal brauchen kann. Heute zum Beispiel erreichte uns ein Brief von Sigi Sander, der sein Hintergrund-Wissen über Beuys und dessen Beziehungen in die DDR ausplaudert.

 

"Man könnte denken, Joseph Beuys hätte sich über die DDR-Produkte, die er für seinen Werkkomplex "Wirtschaftswerte" verwendet hat, lustig machen wollen, was sicher bei dem einen oder anderen skurrilen Produkt nicht von der Hand zu weisen ist. Ich denke aber, das er vieles davon sehr schätzte. Entweder wegen der Einfachheit und Klarheit des Produkts selbst oder wegen der minimalistischen Verpackung, der zum Teil noch Anklänge an die Neue Sachlichkeit anzusehen sind. Wurde im Westen durch das aufwendige Drumherum

suggeriert: Wer mich kauft und konsumiert, wird glücklich, schlank, begehrenswert und spart Geld, verkündete die Aufschrift im Osten nur, was einen tatsächlich erwartete: 300 Gramm Gurken aus dem Spreewald, Speiseerbsen aus Zwickau, Nähgarn aus Karl-Marx-Stadt. Nicht mehr und nicht weniger.

Es gibt Fotos, die belegen, dass Beuys die durch Klaus und Rolf Staeck rübergemachten DDR-Waren ganz selbstverständlich in seiner Küche Verwendung fanden, wenn Sie seinem kritischen Urteil als Koch standhielten. Aus gesundheitlichen Gründen hätte Beuys auf Kaffee, Alkohol und Zigaretten verzichten müssen. Zumindest bei den ersten beiden Verführern konnte er sich gut im Griff. Tabak aber war seine große Leidenschaft. Als ich Anfang der 80er Jahre in seinem Privatatelier in der Düsseldorfer Akademie arbeitete, rief er ab und zu an: Ich komme gleich mal rüber, kochst du einen Kaffee und kaufst eine Rote Hand. Rothändle, natürlich ohne Filter, keine kastrierten. Unvergesslich, wie er dann da saß, Kaffee und Tabak genoss und so nebenbei erzählte, dass er beim Arzt war und der im erklärt hatte, dass er solche Löcher im Herzen hätte. Dabei hielt er Daumen und Zeigefinger beider Hände gegeneinander und lachte, bis er husten musste. Einmal sagte er, genauso lachend: Gestern in Wuppertal, da war ich mal wieder 3 Sekunden tot. Nachdem Beuys gegangen war, fuhren wir ungläubig zum Zeitungsladen im Hauptbahnhof und tatsächlich, im Wuppertaler Generalanzeiger ein Bild von Beuys, wie er von zwei Männern aus dem Museum getragen wird, wie Jesus nach der Kreuzabnahme. Beuys rauchte alles, was er bekam, da konnte er nicht wählerisch sein. Aber zwei Zigaretten-Marken mochte er besonders, die Nazionali No.5 aus Italien und die Karo aus der DDR. Als ich einmal in Südtirol versuchte, Nazionali-Zigaretten zu kaufen, wurde ich überall mit einem erstaunten bis ungläubigen Kopfschütteln abgewiesen. Erst in einem ganz einfachen Fernfahrer-Stopp vor der Stadt entlockte meine vorsichtige Anfrage der Wirtin Freudenschreie. Und ich bin sicher, sie hat mich dafür so ins Herz geschlossen, dass ich mindestens die doppelte Portion des Tagesgerichtes , Kaninchen mit Reis, bekam. Dagegen, wenn man auf den Rastplätzen der Transitstrecken nach Karo-Zigaretten ohne Filter fragte, wollten es die Verkäufer kaum glauben, dass sich ein Wessi so etwas antun wollte. Gab es doch so viele andere Marken, die ihrer Meinung nach viel besser waren. Dabei fand ich, wenn man die Technik raus hatte, eine Zigarette aus der Verpackung zu ziehen und anzuzünden, ohne dass der trockene, kurzgeschnittene Tabak aus der Hülse rutschte oder beim Inhalieren in den Hals gesogen wurde, dass die Karo eine wirklich gute, würzige Zigarette war."

 

Danke Sigi für diese Informationen, die Frau Klöckner sicherlich verwenden wird. Und wenn sich jemand informieren möchte, was uns mit diesem Mann verbindet:

Multiple Box

Siegfried Sander

Admiralitätstraße 76

D-20459 Hamburg

http://www.multiple-box.de


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BeuteKunst I - Nein, das kann nicht weg 2012-01-23 – 23:25:10

Kunst, Politik und Fußball haben gemeinsam, dass Jeder mitreden kann, und es auch tut.

„Ich verstehe ja nichts von Kunst, aber…“

Es ist nicht schlimm, nichts davon zu verstehen.

Aber sehr schlimm ist es, im Ernstfall – also wenn man die Bekanntschaft eines

Künstlers oder einer Künstlerin macht - keine Fragen zu stellen oder zuzuhören

und hinzuschauen sondern lieber angelesenes Halbwissen zu verbreiten.

Joseph Beuys hat zwar den Satz gesagt, der so gern zitiert wird „jeder Mensch

ist ein Künstler“.

Dass er damit eine Vorlage für Witzbolde geliefert hat, die darauf antworten

„KSK für alle!“ hat er wahrscheinlich nicht bedacht.

Egal.

Nein, das kann nicht weg.

Das kommt von meist jahrelanger Beschäftigung mit Dingen, die scheinbar dieses

Bemühen nicht lohnen.

Das kommt von Leuten, die – so blöd sind die – nicht ihr ganzes Sein um die

Frage drapieren, was finanziell dabei für sie heraus kommt.

Das entsteht oft in nicht optimal dafür geeigneten Räumlichkeiten.

Das bringt für die meisten nichts, außer seltsamen Abhängigkeiten, ordentliche

Portionen an Hoffnungslosigkeit und hin und wieder – nicht allzu oft – einen

Menschen der so freundlich ist und ein Lob hinterlässt.

Und dann bringt es noch Sprüche.

Das kann nicht weg, damit haben wir uns lange beschäftigt.

Das ist es, was uns hilf unser Leben zu verstehen.

Das kommt auch nicht von Wollen.

Eher von Fragen, Suchen oder Müssen.

Und nebenbei: einen Pudding an die Wand zu nageln ist

möglicherweise keine Kunst.

Sondern eine Schweinerei.

Oink. Oink.


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BeuteKunst I - "An Lenin habe ich mich nie vergriffen" 2012-01-05 – 11:25:58 Klaus Staeck im Gespräch mit Falko Hennig über Kirsten Klöckner, DDR-Kunst und-Kits

FH: Wann hast Du die DDR verlassen? Bist Du DDR-Mensch?

 

KS: Im tiefsten Kern meiner Seele bin ich das möglicherweise geblieben. Ich bin 1956 mit 18 Jahren aus der DDR geflüchtet. Mit Rücksicht auf meine Familie habe ich immer gesagt, ich sei "übergesiedelt". Das kann man bis heute in vielen meiner Biographien lesen. Meine beiden Brüder, meine Mutter, Großmutter blieben in der DDR. Mein Vater war schon 1949 in den Westen gegangen. Die Familie lebte getrennt. Aber das Schlimmste war für meine beiden Brüder, dass sie nach meiner Flucht von der Oberschule geworfen wurden. Die Begründung war, dass sie nach dem Abitur ja wahrscheinlich auch in den Westen gehen würden. Es war für mich eine große Belastung, für den Ausschluss meiner Brüder vom Bildungsweg verantwortlich gewesen zu sein. Sie haben es später mühsam über den zweiten Bildungsweg im Abendstudium zu Abschlüssen als Chemie-Ingenieure gebracht. Aber das war schon eine Bösartigkeit der DDR, die mich treffen sollte.

 

FH: Was waren die Gründe für die Übersiedlung?

 

KS: Für mich gab es in der DDR keine Perspektive. Ich muss da etwas weiter ausholen. In der DDR war ja alles geregelt. Das hatte auch Vorteile. In meinem Fall waren es Nachteile. Man musste ein halbes Jahr vor dem Abitur einen Fragebogen ausfüllen. Ich hatte als ersten Berufswunsch Filmregisseur in Babelsberg angegeben. Das wurde gar nicht erst weitergereicht. Der zweite Wunsch war ein Architektur-Studium in Weimar. Dort war ich auch zu einer Aufnahmeprüfung. Und hatte das Pech, im Nachhinein war es mein Glück, in einem Nebenraum der Prüfungskommission meine politische Beurteilung mit an zu hören, die der FDJ-Sekretär der Schule im Lauf der Jahre zusammengeschrieben hatte. Die Einschätzung war verheerend. Da waren alle Verfehlungen aufgelistet, angefangen von meinem Verhalten am 17. Juni 1953. Ich wusste, in diesen Raum brauche ich gar nicht erst hineinzugehen. Da war für mich bereits entschieden, dass ich nicht studieren darf.

 

FH: Man tut der DDR-Kunst oder dem DDR-Kunstgewerbe wohl nicht unrecht, wenn man feststellt, dass Bilder und Statuen von Lenin, Marx, Thälmann einen Großteil der Produktion ausmachten. KS: Jedenfalls einen schon erkennbaren Anteil. Ich bin ja mit all diesen Arbeiten des sozialistischen Realismus groß geworden.

 

FH: Hast Du Dich selber mal an einem Lenin-Bild versucht?

 

KS: Nur einmal indirekt. Als Leiter der Arbeitsgemeinschaft Kunst unserer Schule suchte ich eines Tages eine stabile Pappe, um für eine Theateraufführung einen improvisierten Vorhang zu basteln. Auf dem Dachboden der Schule wurden wir fündig in Form eines großen Lenin-Transparents, sägten es in Halshöhe durch und schrieben auf den einen Teil VOR und den anderen HANG, vergaßen aber, den Lenin zu übertünchen. Als sich während der Aufführung die Teile an der Wäscheleine zu drehen begannen, gab es einen Riesenskandal. Ich war damals 16. Als Verantwortlicher hatte ich von diesem Tage an einen noch schwereren Stand. Darüber hinaus habe ich mich nicht an dem Genossen Lenin vergriffen. Ich habe mich mehr an Schiller und Heinrich Heine gehalten. Anlässlich einer Schiller-Feier und einer Heine-Veranstaltung habe ich große Porträts gemalt. Außerdem erinnere ich mich an ein Aquarell "Eisengießer mit Schöpfkelle vor Hochofen". Kürzlich fiel mir ein Linolschnitt "Industrielandschaft mit Schornsteinen und Kühltürmen" aus dem Jahr 1955 wieder in die Hände. Das waren meine Beiträge zum sozialistischen Realismus. Meine Heimatstadt Bitterfeld war ja zu DDR-Zeiten einer der härtesten Industriestandorte. Da lag es nahe, sich dieser Themen anzunehmen. Mir wurde erst später bewusst, dass ich von John Heartfield, der ja während meiner Schulzeit in der DDR lebte, nichts gehört hatte. Er galt damals noch in weiten Teilen der offiziellen DDR_Kunstgeschichtsschreibung als Formalist und kam deshalb im öffentlichen Bewusstsein und meinen Lehrbüchern nicht vor. Ich habe erst im Westen durch ein Buch seines Bruders Wieland Herzfelde von Heartfields Existenz erfahren.

 

FH: Als ich, Jahrgang 1969, in den späten 1970er Jahren zur Schule ging, war Heartfield allgegenwärtig, seine Plakate und Grafiken waren in den Geschichtsbüchern und hingen im Treppenhaus.

 

KS: Während meiner Schulzeit war von ihm jedenfalls nicht die Rede. Er hat übrigens während seiner DDR-Zeit wenig Neues geschaffen: ein paar Buchumschläge, wenige Plakate.

 

FH: Seine große Zeit waren die 1920er Jahre. Was hat ihn in der DDR gehindert?

 

KS: Gehindert hat ihn die damals herrschende offizielle Kulturpolitik. Er galt nun einmal als Formalist ohne das entsprechende Klassenbewusstsein. Zwar waren Kommunisten wie Heartfield aus dem Exil voller Enthusiasmus mit großen Erwartungen an den Aufbau eines neuen Gesellschaftssystems in die DDR gegangen. Die Führung unterschied jedoch zwischen den Ost- und den Westemigranten. Letztere standen unter einer Art Generalverdacht. Dennoch hatten die meisten Rückkehrer den Status des offiziell anerkannten Antifaschisten mit einer speziellen Förderung und Rente. Das sagt aber nichts aus über ihre Arbeitsbedingungen. John Heartfield selbst habe ich nie kennengelernt, wohl aber seinen Bruder Wieland Herzfelde. Ihn habe ich oft besucht. Er war jemand, der zwischen Enttäuschung und Erwartung hin und her schwankte. Ich habe diese Gespräche teilweise auf Tonband aufgezeichnet. Er konnte oft scharf gegen die DDR und ihre Bürokratie agieren und gegen alles wettern, was falsch lief. Aber irgendwann, wenn er sich zu sehr in Rage geredet hatte, sagte er plötzlich unvermittelt mitten im Satz: "Aber die große sozialistische Oktoberrevolution war doch ein großer Schritt für die Menschheit!" Wer will sich schon im Alter von 70+ eingestehen, dass vieles, wofür er ein Leben lang gekämpft und gelitten hat, möglicherweise ein Irrtum war.

 

FH: Zum Glück kann uns das nicht passieren, weil wir die große sozialistische Oktoberrevolution nicht zur Basis unseres Lebens gemacht haben.

 

KS: Richtig. Aber was ich sowohl der Sowjetunion als auch der DDR bis heute vorwerfe, sie haben aus einem Menschheitstraum, dem Wunsch nach Frieden, der Hoffnung auf Gerechtigkeit und Gleichheit der Lebenschancen, eine Praxis entwickelt, die bis heute die meisten Menschen zu Recht abschreckt.

 

FH: Man kann es relativieren, weil die Verwirklichung der marxistischen Ideale in vielen Ländern und ganz unterschiedlichen Kulturen nicht die Erwartungen und Hoffnungen erfüllte.

 

KS: Der Versuch, in Deutschland einen von der Mehrheit der Menschen akzeptierten Sozialismus aufzubauen, endete jedenfalls in einem ziemlichen Desaster. So habe ich auch meinen frühen Weggang aus der DDR nicht einen einzigen Tag bereut.

 

FH: Wie schätzt Du die Kunst ein, die unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entstand?

 

KS: Ähnlichkeiten mit der Nazi-Kunst gab es allenfalls bis zum Tode Stalins 1953. Er war es ja auch, der Arno Breker gleich nach Moskau einlud, um dort weiter zu arbeiten. Ich habe mich intensiv mit Breker, dem Lieblingsbildhauer Adolf Hitlers beschäftigt. Er war der Profiteur des Unterdrückungsapparates der Nazis. Mit seinen heroischen Plastiken hat er einem Menschenbild Form gegeben, dem man das hässliche, entartete und damit unwerte Leben gegenüberstellen konnte. Zwar gibt es Traditionen und historische Linien, denen er gefolgt ist. So gab es in den 1920er und 1930er Jahren nicht wenige Künstler, die ähnlich gearbeitet haben. Aber Breker wurde zum Dekorateur einer brutalen, menschenverachtenden Diktatur, in der zum Beispiel Behinderte keinen Platz mehr hatten und der Euthanasie zum Opfer fielen. Breker hat übrigens nach 1945 in Westdeutschland im gleichen Stil bruchlos weiter gearbeitet, ohne allerdings bis heute Eingang in den offiziellen Ausstellungsbetrieb zu finden. Er hat zahlreiche Wirtschaftsbosse wie Hans Gerling und das Ehepaar Ludwig – die ja ironischerweise früh zu Sammlern von DDR-Kunst wurden - , sowie Politiker von Konrad Adenauer über Ludwig Erhardt bis Leopold Senghor porträtiert. Im Übrigen wurde vor allem im Westen viel experimentiert und nachgeholt, was im Nationalsozialismus als verboten galt. So wurde besonders die Abstraktion weiter entwickelt, die nichtgegenständliche Kunst gefeiert, während im Osten nach Gründung der DDR bald die Doktrin des Sozialistischen Realismus zur Staatskunst erhoben wurde. "Die" DDR-Kunst hat es nie gegeben. Ich nenne nur Herrmann Glöckner, Carlfriedrich Claus, Strawalde und A.R. Penck, die ganz eigene Wege gingen. Es gab die Untergrund-Kunst, die Samisdat-Ausgaben, Mail-Art. FH: Und wie sollte man deiner Meinung nach mit den DDR-Künstlern umgehen, die auch Staatskünstler waren, damit einer Diktatur dienten? Ich erinnere mich an Willi Sitte, der sehr hoch geschätzt wurde von der offiziellen DDR-Kulturpolitik. KS: Es gab die sogenannte Viererbande: Sitte, Heisig, Mattheuer und Tübke. Sie waren sogar einmal auf einer Dokumenta vertreten, woraufhin einige Künstler wie Baselitz und Lüppertz ihre Bilder zurück zogen. Aber selbst diese vier unterscheiden sich doch deutlich in ihrer Arbeitsweise. Mattheuer hat den "Menschheitsschritt" geschaffen, Heisig Helmut Schmidt portraitiert, Tübke dieses gigantische Panorama in Frankenhausen geschaffen. Daran sieht man schon, dass es keine einheitliche Bewertung eines Künstlers geben kann, der seine Werke unter anderem an staatliche Organisationen verkauft hat. Was ich der DDR-Führung vorwerfe: Sie hat eine Kunstrichtung zur offiziellen Staatsdoktrin erhoben und damit zur Voraussetzung für die Aufnahme in den Künstlerverband gemacht. Diese Mitglieder hatten den Vorteil, dass sie immer mal wieder ein Bild ablieferten und dafür ein anständiges Honorar bekamen. Der Lebensunterhalt war für diese Künstler auf diese Weise garantiert. Beeskow ist voll solcher Bilder, die von unterschiedlichen Institutionen der DDR angekauft worden sind. Aber wenn wir ernsthaft über Kunst reden, dann legen wir doch andere Maßstäbe an. Danach ist ein großer Teil der Bilder, die in der DDR auf diesem Wege in irgendwelche Betriebe gelangt sind nicht so wichtig, dass man sich länger damit auseinandersetzen möchte. Interessante Beispiele gibt es übrigens in der Fotografie.

 

FH: Aber bei der Fotografie hat man ja in der DDR auch die verschiedenen Richtungen. Zum einen Propagandafotografie, die das heroische zeigte.

 

KS: Zum Beispiel die martialischen Auftritte alter Knacker, wenn ich an die Kampftruppenfotos denke.

 

FH: Und dann gibt es die normalen Fotos aus den Familien. KS: Und es gibt auch die Fotos von der FKK-Bewegung in der DDR.

 

FH: Sehr interessante Sachen.

 

KS: Bürgerliche Freizügigkeit und Spießigkeit, eine besonders aparte Mischung.

 

FH: Ja, und gerade die Freikörperkultur hat ja ihre Wurzeln in Jugendstilbewegungen in den 20er Jahren bis hin zu dem Surén, einem hohen Nazi, der ein großer Vertreter der Freikörperkultur war. Der ölte sich immer ein und hatte dann so Bildtafeln in seinen Büchern. Hitler war ein großer Fan von ihm. Der wurde dann aber wegen öffentlichen Masturbierens aus der NSDAP ausgeschlossen. KS: Ich komme ja aus Bitterfeld, jenem Ort mit der damals höchsten Luftverschmutzung und eng verbunden mit dem Bitterfelder Weg. FH: Das war eine Konferenz, bei der Intellektuelle sich trafen?

 

KS: Es gab zwei. Die erste wurde 1959 vom Mitteldeutschen Verlag organisiert unter dem Motto "Greif zur Feder, Kumpel - die sozialistische Nationalliteratur braucht dich." Der Grundgedanke war ja nicht schlecht: die arbeitende Bevölkerung an die Kultur heranzuführen. Aber nicht bloß als Konsumenten, sondern sie anzustiften, selbst kreativ zu werden. Allein im CKB (Chemiekombinat Bitterfeld) gab es 41 verschiedene Zirkel, in denen fotografiert, geschrieben, gemalt wurde. Leider ist nur der Malzirkel des Künstlers Wolfgang Petrowsky nach der Wende übrig geblieben. 1964 gab es die zweite Bitterfelder Konferenz. Jetzt hielt schon Walter Ulbrich eine Grundsatzrede. An dem Kulturpalast, in dem die beiden Konferenzen stattfanden, hatte ich als Schüler meine "Aufbauschichten" geleistet. Ich hatte immer die Vorstellung, dass ich eines Tages die Dritte organisieren würde. Und nachdem die Mauer gefallen war habe ich Eugen Blume und Christoph Tannert angestiftet, 1992 mit mir gemeinsam die dritte Bitterfelder Konferenz in jenem Kulturpalast zu organisieren. Parallel fand in der Galerie im Ratswall eine Ausstellung statt, in der auch Kirsten Klöckner mit einem Landkartenbuch vertreten war. Felix Droese war mit einem riesigen Kahn in einem Container gekommen. Teilnehmer der Konferenz waren unter anderen Erich Loest, Werner Haiduczeck und Wolfgang Thierse. Heinz Czechowski erinnerte an ein Gedicht von Sarah Kirsch: "Zieh Traktor zieh, wir sagen nicht mehr Hüh!". Haiduczeck wedelte mit einem kleinen Heftchen, mit dem Titel "demnächst im Lexikon?" herum. Es war voller proletarischer Lebensläufe von später bekannten Künstlern. Ich hatte übrigens eine Großmutter, die gern dichtete. Die örtliche SED-Bezirkszeitung "Freiheit" schrieb regelmäßig Wettbewerbe aus, die auch von meiner Oma beschickt wurden. Eines ging so: "Dort wo der Dreck vom Himmel fällt, da ist Bitterfeld."

 

FH: Das ist doch schön. Das wurde nicht abgedruckt?

 

KS: Nein, es wurde nie etwas abgedruckt. Jedenfalls war sogar meine Großmutter von dieser Bewegung angesteckt. In der Volksseele wabert viel. Warum sollte man den Menschen nicht - ganz im Sinne von Joseph Beuys - Mut machen, ihren Gedanken und Gefühlen eine Form zu geben? Es muss doch nicht alles gleich große anerkannte Kunst sein!

 

FH: Ich halte das für einen sehr reizvollen Gedanken. Weil ich mit einem Kollegen gerade ein Buch geschrieben habe das nur aus Dokumenten eigentlich unbekannter Menschen besteht.

 

KS: Oder Tagebücher - denk an Kempowski. Er hat tausende Äußerungen gesammelt von Menschen , die gar nicht den Anspruch erhoben haben, Künstler zu sein.

 

FH: Aber wenn man dann vergleicht gerade bei Kempowski, was der Großdichter des dritten Reiches Hans Friedrich Blunck geschrieben hat im Gegensatz zu anonymen Leuten, da ist es unfassbar wie sehr der Berufsdichter daneben lag in seiner gesamten Einschätzung und wie korrekt es die ganz normalen Leute beschreiben konnten was passierte.

 

KS: Der Grundgedanke des Bitterfelder Weges ist leider in eine doktrinäre Falle geraten, der schwer zu entkommen ist. Aber jeder, der sich als Künstler verwirklichen wollte, hatte die Wahl: bleibt er in dieser Falle oder verlässt er sie, entweder durch Flucht in den Westen oder er musste abseits der offiziell verordneten Kultur sein Dasein organisieren.

 

FH: Droht Kirsten Klöckner jetzt auch in diese doktrinäre Falle zu tappen durch ihre Beschäftigung mit dieser Kunst oder Nichtkunst der DDR?

 

KS: Was sie macht, ist ja geradezu ein Befreiungswerk. Sie befreit diese zum großen Teil doch recht traurigen Bilder aus ihrem Gefängnis. Indem sie Details herausnimmt und aus den Details neue Bilder schafft. Es gleicht einer Schatzsuche. In jedem Bild ist etwas Sehenswertes verborgen. Wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen, kann man eigentlich in jedem Bild etwas finden . Ich selbst benutze beispielsweise für meine Collagen gern diese "Hand und Fußmalerkalender" als Fundgrube.

 

FH: Sehr schön. Die malen viel besser als die meisten richtigen Künstler.

 

KS: Das halte ich für einen Irrtum. Aber was heißt denn besser? Sie malen gegenständlicher. Aber die Kunst will ja nicht bloß die Gegenwart abbilden, sondern einen Schritt weiter gehen und beim Betrachter etwas in Gang setzten, das zu eigenen Erkenntnissen führt. Kirsten schafft es, wenigstens Details dieser Werke ein Überleben zu sichern. Sie geht wie eine Ausgräberin an die Arbeit. Es verhält sich ähnlich mit der Leidenschaft fürs Pilze-Sammeln. Man muss ein Auge dafür haben. Manche finden nie einen Pilz. Ich weiß dagegen, unter welchem Blätterdach ich suchen muss, um fündig zu werden.

 

FH: Man muss ja auch die Stellen kennen.

 

KS: Ja. So verstehe ich ihre Arbeit. Diesen doch oft recht toten Bildern wieder Leben einzuhauchen. Nicht um das Bild zu retten, das kann man nicht. Sie bedient sich im Steinbruch. Die Kunstgeschichte wird von vielen Künstlern als Steinbruch genutzt. Sie nimmt ja nicht nur ein Stück heraus, sondern verwandelt es. Sie hat zum Beispiel eine äußerst populäre Arbeit von Picasso vervollständigt. Eine kühne Idee.

 

FH: Vielleicht können wir mal ein Beispiel anschauen. Da sehe ich die berühmte viereckige Milchtüte.

 

KS: Die Künstlerin heißt Barbara Müller.

 

FH: Ich muss sagen, das kannte ich vorher noch nicht.

 

KS: Ein freundliches Bild. Kirsten Klöckner hat es wohl in Beeskow im Archiv entdeckt.

 

FH: Da ist das Netz. Wenn die Grünen tatsächlich das Plastetütenverbot durchsetzen, dann brauchen wir die wieder.

 

KS: Die Tüte soll 25 Cent kosten. Ein Verbot ist das noch nicht.

 

FH: Das wäre nur eine Preiserhöhung. KS: Aber der erste Schritt zum Verbot. Es gab ja schon mal so Wellen. Irgendwann liefen viele mit Jutetaschen herum. Ich auch. Bis man feststellte, dass diese Jutetaschen leider sehr pestizidbelastet waren. Dann verschwanden sie wieder.

 

FH: Wo gehobelt wird fallen Späne.

 

KS: Das Netz hat als Klassiker überlebt. F

 

H: Man musste es dabei haben weil man nie wusste, wann man wo eventuell etwas bekommt, was man brauchen kann.

 

KS: Plastiktüten gab es kaum.

 

FH: Irgendwann gab es diese Einkaufsbeutel aus Kittelstoff.

 

KS: Für mich war das Netz ein Zeichen für die DDR. Diese Milchtüte kenne ich auch noch. Hier ist es kein unwesentliches Detail. Im Westen gab es diese Verpackung übrigens auch, für Sunkist, einen Orangensaft. Ohne die Milchtüte wäre es kein Bild.

 

FH: Eine politische Aussage lässt sich schwer finden.

 

KS: Das ist eines dieser freundlichen Bilder, von denen es viele zum Thema Alltag gibt.

 

FH: Wobei es da auch kritische Bilder gab. Ich erinnere mich an "Porträt nach Dienst" von Horst Sakulowski, da saß eine Ärztin völlig ausgepowered auf einem Stuhl und das Telefon klingelte in ihrem Kopf weiter - das war dann schon ein sehr kritisches Bild. KS: Immerhin nah an der Grenze. Das mit den Tassen ist für mich ein recht trauriges Bild. Hier schaut uns doch nun gerade nicht der stets fröhliche sozialistische Mensch an. Es ist ein Bild von Jost Braun und zeigt Ramona Gailus, Textilarbeiterin und Friedensaktivistin. Sie soll den Slogan "der Friede muss bewaffnet sein" erfunden haben.

 

FH: Der Slogan stammt eigentlich von Wilhelm Busch aus dem Gedicht vom Fuchs und dem Igel. Der Fuchs kommt zum Igel und sagt: Es gibt einen großen Friedensvertrag, deshalb musst du dein Stachelkleid ablegen. Da erwidert der Igel: Lass dir erst deine Zähne brechen, dann wollen wir uns wieder sprechen. Das Bild erinnert mich an die von Michael Sowa.

 

KS: Zu DDR-Zeiten gab es alle vier bis fünf Jahre die "Kunstausstellungen der DDR" in Dresden. Ich erinnere mich an einen großen Streit um ein Bild von einer Aktivistenfeier. Die Akteure machten den Eindruck, als seien sie alle total betrunken. Das Bild sollte aus der Ausstellung entfernt werden. Der Aktivist hatte schließlich heroisch zu sein. Sonst nichts. Das war ja das Problem der DDR. Es gab immer zwei Versionen. Während meiner Schulzeit wussten wir ganz genau, was der Lehrer hören wollte. So haben wir uns oft einen Spaß daraus gemacht. In meinen Aufsätzen siegte am Ende immer die ruhmreiche Sowjetunion, ob es nun passte oder nicht. Das kam gut an. Nie wurde jemand dafür gerügt. Aber es war einfach Schwindel. Es gab immer diese parallelen Welten. Privat geht vor Katastrophe! Als es einmal im Bitterfelder CKB ein großes Explosionsunglück gab, zeigte sich die menschliche Natur von ihrer düstersten Seite. Einige haben das allgemeine Chaos genutzt, um zu stehlen. Sogar der Spind eines meiner Brüder, dem beide Beine verätzt waren, war aufgebrochen und die Wertsachen gestohlen worden.

 

FH: Ich glaube das ist passiert, weil Walther Ulbricht gesagt hatte: "Aus unseren volkseigenen Betrieben lässt sich noch viel mehr herausholen".

 

KS: Wenn meine Brüder über die DDR erzählten, geht es fast immer um eine andere DDR, als jenes Land, das uns in diesen Bildern begegnet. Das Portrait von Ramona Gailus ist immerhin schon im Zwischenreich der beiden Wirklichkeiten der DDR angesiedelt.

 

FH: Das hat eher etwas von Michael Sowa oder Magritte. Es ist sehr traurig, ich glaube, weil sie grad nicht rauchen darf. Der Aschenbecher ist so leer.

 

KS: Das Bild ist 1985 entstanden. Wenn Parteileute die Auftraggeber waren, weiß ich nicht, ob sie zufrieden waren, es gut fanden. Ramona Gailus erkennt man jedenfalls gut mit ihrer unglücklichen Frisur. Ein Hauch von Melancholie umweht dieses Bild.

 

FH: Ich finde es surreal. Aber die Tischdecken waren nie so weiß. Sie waren in der DDR immer voller Flecken. Kaffee. Zigarettenkippen. Und die Wände waren auch nicht so, die waren eher so gelblich vom Nikotinfilm. Es durfte überall geraucht werden.

 

KS: Auch wenn ich mich diesem Pauschalurteil nicht anschließen kann, man glaubt zu wissen, wie es da gerochen hat.

 

FH: An "Der Friede muss bewaffnet sein" erinnere ich mich sehr gut. Das macht mich neugierig. Da würde mich die Geschichte von Ramona Gailus sehr interessieren.

 

KS: Die Geschichten hinter den Bildern sind spannend. Kirsten Klöckner arbeitet wie eine Archäologin. Das heißt, dass sie jedes Bild erst mal ernst nimmt.

 

FH: Sie nimmt es nicht als scherzhaft wahr.

 

KS: Richtig. Was passiert da eigentlich? Eine optimistische Zukunftsperspektive sieht anders aus. Der strahlende Sozialismus schaut uns hier nicht an. Eben höchstens in Form der Tassen. Und da wird es spannend.

 

FH: Aber die gab es gar nicht.

 

KS: Mag sein. Aber sie symbolisieren die Möglichkeiten. Hier fängt eben die Kunst wieder an.

 

FH: Vielleicht gibt es diese Tassen doch? Aber ich habe sie weder in der DDR jemals gesehen noch seither auf Flohmärkten - und die habe ich alle gesehen.

 

KS: Wenn es diese Tassen real nicht gegeben hat, dann offenbar doch als Glücksversprechen, als Wunschvorstellung in der Phantasie der Künstlerin. Für mich verkörpern sie hier das Prinzip Hoffnung. Vielleicht hat sie deshalb genau diese Tassen gewählt. Sie hätte es ja auch bei dem traurigen Aschenbecher bewenden lassen können. Die Tassen sind die Perspektive, die aus dem Bild herausführen. Auch der Sozialistische Realismus hat –zumal ab den beginnenden 70er Jahren - einen Spalt offen gelassen für eine andere Sicht der Welt. Dafür steht dieses Bild, wenn man sich ernsthaft damit beschäftigt, wie Kirsten Klöckner das getan hat.


www.falko-hennig.de

www.edition-staeck.de

Foto: Kirsten Klöckner 2011 - Falko Hennig und Klaus Staeck im Atelier von Kirsten Klöckner am 3.12.2011 in Berlin


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